Projekte
Projektnummer: F.18695
Laufzeit: 01.02.2021 - 31.12.2021
Projektleitung: Mag.arch. Eva Thysell BA MA
Förderung:
Fördergelder des Tiroler Wissenschaftsfonds
Die archäologische Zone Stadlgasse – Plochbergergründe in Lauriacum/Enns
Leben und leben lassen im Bereich der südlichen canabae legionis
Projektbeschreibung
Das hier vorgestellte Projekt ist Teil einer angestrebten Gesamtbearbeitung der archäologischen Zone Stadlgasse – Plochbergergründe in Lauriacum/Enns und als Ergänzung zur laufenden Dissertation der Projektleiterin an der Universität Innsbruck zu sehen. Das zugrundeliegende Forschungsvorhaben versucht erstmals das Spannungsfeld zwischen der frühen Straßensiedlung des 1. Jhs. mit dem zugehörigen Gräberfeld und den mit der Ankunft der 2. italischen Legion einsetzenden Urbanisierungsprozessen in dieser Kontaktzone zu analysieren. Ebenso werden der Siedlungsrückgang und das Wiedereinsetzen der Bestattungstätigkeit in diesem Bereich beleuchtet. Das Projekt strebt eine gezielte Zusammenarbeit zwischen Archäologie, Anthropologie, molekularer Archäologie und Archäozoologie an. Gemeinsam mit den Ergebnissen des Dissertationsprojektes wird damit für Lauriacum/Enns zum ersten Mal eine fundierte Annahme einer Siedlungsgenese vom 1. bis zum 5. Jh. möglich.
Stadlgasse – Plochbergergründe
Die archäologische Zone Stadlgasse – Plochbergergründe befindet sich an den nördlichen Abhängen des Ennser Stadtberges, direkt südlich der heutigen Stadlgasse.
Durch zahlreiche Bodeneingriffe und Ausgrabungen konnte hier ein mehrmaliger Funktionswandel – von Gräberfeld zu zivilem Siedlungsbereich und wiederum zu einem Bestattungsplatz - nachgewiesen werden. Die römischen Aktivitäten lassen sich grob von der Mitte des 1. bis zur Mitte des 5. Jhs. datieren. Das im Projekt zu untersuchende Areal umfasst in seiner Gesamtheit eine Fläche von etwas über 10.000 m2, mit insgesamt ca. 20 potentiellen Gebäudestrukturen, 13 Brandbestattungen und 12 Körpergräbern unterschiedlicher Zeitstellung sowie zahlreichen Gruben- und Grabenstrukturen.
Das Projekt
Im Fokus der angestrebten Analyse steht insbesondere der Funktionswandel im Untersuchungsareal. Der nördliche Bereich der heutigen Plochbergergründe wird im späten 1. Jh. bis zur Mitte des 2. Jhs. als Bestattungsplatz genutzt. Im Zuge einer archäologischen Ausgrabung konnte allerdings nur ein kleiner Bereich des ursprünglich wohl als viel größer anzunehmenden Gräberfeldes untersucht werden.
Viele der Grabmonumente auf die sich bislang die Datierung des Gräberfeldes stützt, wurden bereits im 19. Jahrhundert geborgen. Die im Zuge der Ausgrabung der Siebzigerjahre aufgedeckten Brandbestattungen wurden zwar anthropologisch untersucht, aber eine archäologische Auswertung der Befunde und Grabbeigaben fehlt bislang. Zwar können immerhin drei der insgesamt 13 Gräber mittels Fundmünzen datiert werden, so enthielt doch die Mehrzahl der Bestattungen keinerlei oder chronologisch nur sehr wenig aussagekräftige Beigaben. Hier können entsprechende naturwissenschaftliche Untersuchungen helfen den wahrscheinlichen Belegungszeitraum zumindest einzugrenzen. Nach einer zu vermutenden Niederlegung bzw. Auflassung des frühen Gräberfeldes wird das Gebiet der Stadlgasse – Plochbergergründe spätestens Ende des 2. bis Beginn des 3. Jhs. mit einer Wohn- und Wirtschaftsbebauung aufgesiedelt. Ein zentrales Anliegen des Projektes ist daher, insbesondere die Bestattungen des Gräberfeldes Stadlgasse möglichst genau zu untersuchen, um dadurch Rückschlüsse auf den Übergang vom Gräberfeld der frühen Siedlung zur Wohn- und Wirtschaftsbebauung der canabae legionis zu ziehen.
Die insgesamt 12 Körperbestattungen, die einzeln und in einer losen Gruppe wohl in der Spätantike auf den Plochbergergründen beigesetzt wurden, sind wiederum ein eindeutiger Indikator dafür, dass es im Laufe des 4. Jhs. erneut zu Veränderungen im Siedlungsgefüge komm.
Das zuvor als ziviler Wohnbereich genutzte Areal erfährt mit der Belegung durch Bestattungen erneut einen Funktionswandel und Lauriacum insgesamt eine starke Reduktion sowohl im Siedlungsgebiet, als auch in der Bevölkerungszahl. Im Gegensatz zum Gräberfeld Stadlgasse erfolgten bei den spätantiken Körperbestattungen auf den Plochbergergründen bis dato keinerlei Untersuchungen. Es wurden weder eine archäologische Auswertung der Grabbefunde und -beigaben, noch naturwissenschaftliche Analysen durchgeführt. Die daher angestrebten anthropologischen Untersuchungen umfassen neben der Bestimmung der Grundparameter auch umfangreiche paläopathologische Analysen, die den Gesundheitszustand bzw. die Krankheitsbelastung näher beleuchten. Darüber hinaus können DNA-Untersuchungen über mögliche Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Gruppe der Bestatteten Auskunft geben sowie weiterführende DNA-Untersuchungen zusätzlich Hinweise über die Herkunft bzw. den bioethnographischen Hintergrund der Bestatteten liefern.
In den bisher vorgelegten Fundberichten gehen die Ausgräber von einer Belegung des Areals durch Bestattungen von der zweiten Hälfte des 4. bis zur Mitte des 5. Jhs. aus. Es gilt daher zu klären, ob sich diese Annahmen bestätigen lassen und welche Aussagen zu den Lebensumständen in der Zeit der Spätantike getätigt werden können, insbesondere mit dem Hintergrund der in der Vita Sancti Severini des Eugippius geschilderten Lebensverhältnisse im 5. Jh. im Bereich des ostbayrisch-österreichischen Donauraumes.
KooperationspartnerInnen:
- Mag. Maria Marschler, Ute Michaela Spannagl-Steiner (Naturhistorisches Museum Wien, Anthropologie)
- Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Jan Cemper-Kiesslich (Universität Salzburg, Fachbereich Gerichtsmedizin)
- Mag. Dr. Stefan Traxler (OÖ Landes-Kultur GmbH, Abt. Römerzeit, Mittelalter und Neuzeitarchäologie)
- Mag. Heinz Gruber, Mag. Christoph Blesl, Univ.-Doz. Dr. Bernhard Hebert (Bundesdenkmalamt, Abt. für Archäologie)
- Prof. Gottfried Kneifel (Museumverein Lauriacum, Obmann)