Projekte und Forschung

Projektnummer: 346528 
Laufzeit: 
01.07.2021-30.11.2021
Finanzierung: Forschungszentrum Berglandwirtschaft und Land Tirol  
   

Projektleitung: Benjamin Wimmer, MA MSc

ELO:
Eisenzeitliche Landrassen im Ostalpenraum
– Nutztiergröße als landwirtschaftlicher Risikofaktor in römischer Zeit?

Hintergrund

Berglandschaft mit KühenIn jüngerer Zeit wurden zahlreiche Initiativen zur Rettung alter Nutztierrassen ins Leben gerufen. So werden beispielsweise die Ennstaler Bergscheckenrinder, die in Form und Größe mit eisenzeitlichen Rindern der Ostalpenregion verglichen werden (Pucher 2006; 2013), im Rahmen des Agrarumweltprogrammes ÖPUL als hochgefährdete Rinderrasse gefördert (vgl. www.arche-austria.at; www.bmlrt.gv.at/land/laendl_entwicklung.html). Dieses neue Interesse an alten Nutztierrassen scheint einerseits einem gesteigerten konservatorischen Bewusstsein geschuldet, wird aber zusätzlich auch gerne mit einer besseren Angepasstheit der alten Landrassen an regionale Bedingungen und bessere Produktqualität im Vergleich zu Hochleistungszüchtungen begründet (Sambraus 2010). Der angestrebte Hochleistungsertrag tierischer Primär- und Sekundärprodukte ist jedoch maßgeblich von der Minimierung zahlreicher Risikofaktoren abhängig. Wurden diese in der modernen, mechanisierten Wirtschaftswelt zwar Großteils zum logistischen Problem degradiert, stellen sie in traditionellen Viehwirtschaftsformen oft maßgebliche Limitationen dar, die sich auch in der Herdenstruktur und Größe der Tiere widerspiegeln können (Halstead & O’Shea 1989; Halstead 2014). Mitunter kann sogar die Größe der Tiere selbst zum Risikofaktor werden, wenn dadurch mehr Futter zur Versorgung gebraucht wird. Könnte somit frei nach Schumacher (1973) auf die eisenzeitlichen und römischen Nutztiere, wie auch auf die regionalen alpinen (Berg)Landwirtschaftsstrukturen tatsächlich „small is beautiful“ zutreffen?

Die sowohl topographischen wie auch klimatischen besonderen Anforderungen an eine alpine Viehwirtschaft scheinen jedenfalls einen Sonderfall im römischen Landwirtschaftsrahmen darzustellen. So findet sich in den alpinen Regionen der römischen Provinz Raetia keine generelle Größenzunahme bei Rindern. Vielmehr konnten innerhalb der Provinz starke regionale Unterschiede, sowohl in der Zusammensetzung der Nutztierbestände als auch in der Größe der Tiere, festgestellt werden (Peters & Manhart 2004; Peters et al. 2017; Trixl et al. 2017; Trixl – Peters 2018; Trixl 2019). Für weitere Fundorte im heutigen Österreich legen zudem auch morphologische Indizien die Koexistenz von zwei sehr verschiedenen Landschlägen, einem autochthonen und einem italisch importierten, nahe (Pucher & Schmitzberger 2003; Forstenpointner et al. 2012; Pucher 2013; 2018).

Fragestellung und Ziele

Das beantragte Projekt versucht zu beleuchten, wie sich eisenzeitliche Landrassen in römischer Zeit im Ostalpenraum halten konnten. Als Hypothese wird dazu die Argumentation der römischen Optimierung und Größenzunahme durch Meliorationszucht invertiert: Sind eisenzeitliche kleine Nutztiertypen und ihre römischen Äquivalente bereits auf ihre Funktion in risikobewussten regionalen (Berg)Landwirtschaftssystemen optimiert und daher den großen römischen Import- bzw. Zuchtrassen überlegen?

Zur Beantwortung dieser Frage soll erforscht werden, ob der Anteil kleiner Nutztiere mit besonderen Umweltbedingungen korreliert. Daraus ergeben sich zwei Teilziele des Projektes:

  • Eine Meta-Analyse publizierter osteometrischer Daten der Nutztiere (Rind, Schaf/Ziege, Schwein, Pferd) aus (spät)eisenzeitlichen und römischen Fundstellen des Ostalpenraums.
  • Erhebung von Umweltdaten der Fundorte: absolute Höhe und topographische Lage des Fundorts, Hangneigungen im Umkreis des Fundortes, Niederschlagsmengen und Infiltration

Ausgewählte Literatur

Forstenpointner, G., Weissengruber, G. & Galik, A., (2012). Zertrampelte Spuren: Hypothesen und Fakten zur römischen Rinderwirtschaft. In: F. Lang, S. Traxler & W. Wohlmayr, eds. Stadt, Land, Fluss/Weg. Aspekte zur römischen Wirtschaft im nördlichen Noricum. Salzburg: Universität Salzburg. pp. 45-54.

Halstead, P. & O‘Shea, J., eds. (1989). Bad Year Economics: Cultural Responses to Risk and Uncertainty. Cambridge: Cambridge University Press.

Halstead, P., (2014). Two Oxen Ahead: Pre-Mechanized Farming in the Mediterranean. Oxford: Wiley-Blackwell.

Peters, J. & Manhart, H., (2004). „… und jegliches heimische Rind ist weit besser als ein auswärtiges…“ Zur Frage der Kontinuität keltischer Viehwirtschaft im süddeutschen Raum. In: C.-M. Hüssen, W. Irlinger & W. Zanier, eds. Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau. Bonn: Habelt. pp. 39-52.

Peters, J., Gschwind, M., Neuberger, F., Steidl, B. & Trixl, S., (2017). Early Transfer of Animals Across the Alps: Setting the Stage for Interpreting the Results of Isotope Fingerprinting. In: G. Grupe, A. Grigat & G. McGlynn, eds. Across the Alps in Prehistory. Isotopic Mapping of the Brenner Passage by Bioarchaeology. Cham: Springer. pp. 49-79.

Pucher, E., (2006). Steirische Bergschecken und die vergessene Frage nach der Geschichte der Rinderrassen: Einige Bemerkungen zur Rassengliederung der Hausrinder. In: F. Mandl, ed. Alpen. Archäologie, Almwirtschaftsgeschichte, Altwegeforschung, Dendrochronologie, Felsbildforschung, Geomorphologie, Geschichte, Gletscherforschung, Umweltforschung, Volkskunde, Zoologie. Festschrift: 25 Jahre ANISA Verein für alpine Forschung. Gröbming: Wallig. pp. 263-292.

Pucher, E. (2013). Milchkühe versus Arbeitsochsen: Osteologische Unterscheidungsmerkmale zwischen alpin-donauländischen und italischen Rindern zur Römischen Kaiserzeit. Beiträge zur Archäozoologie und Prähistorischen Anthropologie. 9, 9-36.

Pucher, E., (2018). Der Tierknochenfundkomplex eines germanischen Dorfs im römischen Machtbereich: Bruckneudorf. Fundberichte aus Österreich. 55, D235-D422.

Pucher, E. & Schmitzberger, M., (2003). Zur Differenzierung heimischer und importierter Rinder in den römischen Donauprovinzen. Beiträge zur Archäozoologie und Prähistorischen Anthropologie. 4, 60-74.

Sambraus, H. H., (2010). Gefährdete Nutztierrassen. 3rd ed. Stuttgart: Ulmer.

Schumacher, E. F., (1973). Small is Beautiful: A Study of Economics as If People Mattered. London: Blond & Briggs.

Trixl, S., Steidl, B. & Peters, J., (2017). Archaeology and Zooarchaeology of the Late Iron Age-Roman Transition in the Province of Raetia (100BC-100AD). European Journal of Archaeology. 20(3), 431-450.

Trixl, S. & Peters, J., (2018). 1888 to 2018 – 130 years of provincial Roman archaeozoology in Cambodunum/Kempten. Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien, Serie A. 120, 305-319.

Trixl, S., (2019). Zwischen Wandel und Beständigkeit. Die Entwicklung der späteisenzeitlich-frührömischen Viehwirtschaft im Alpenraum und dem nördlichen Alpenvorland. Rahden / Westf.: VML.

 

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