Soziale, wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit digitalen Kulturerbes – Überlegungen für den ländlichen Raum
Konstantin Hermann
Polarisierung der Gesellschaft, (digitale) Anbindung von Ungunstregionen im ländlichen Raum außerhalb großstädischer „Speckgürtel“, Migration, generationsdifferente Sichtweisen und Nachhaltigkeit sind nur einige der aktuellen Schlagwörter aus den aktuellen Debatten. Diese Schlagwörter, die Teile gesamtgesellschaftlicher Debatten abbilden und zu denen viele weitere Themen gehören, handeln vom Zusammenhalt der Gesellschaft in einer sich verändernden Umwelt.
Die Bibliotheken haben vor einigen Jahren begonnen, auf diese Entwicklungen zu reagieren. Nachhaltigkeits-AGs wurden gegründet, erste Nachhaltigkeitsberechnungen angestellt, die Formen sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit auf die eigene Einrichtung gemappt, Vorhaben geplant und umgesetzt. Diese Vorhaben, begonnen vom Urban Gardening bis hin zur Inklusion und Bildungsnachhaltigkeit, sind thematisch äußerst vielfältig. Immer wichtiger wird dabei Nachhaltigkeit und deren Beurteilung - in umfassender Hinsicht - digitaler Angebote der Kulturerbeeinrichtungen. Neben sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten gehört hier das Thema der kulturellen Nachhaltigkeit dazu, so dass von vier Hauptthemen bei dem Nachhaltigkeitsanspruch von Kulturerbeinstitutionen auszugehen ist. Die Nachhaltigkeitsbestimmung von bibliothekarischer Arbeit wird nicht nur von Nutzerinnen und Nutzern thematisiert, sondern auch von den Beschäftigten selbst. Umso wichtiger ist nicht nur die Schaffung eines Bewusstseins für dieses Thema, sondern auch die Entwicklung eines entsprechenden Instrumentariums und Zahlensets, das ergänzend zu Kosten der Digitalisierung, Nutzung und Kosten der dauerhaften Archivierung erstellt wird. Diese können in der internen Arbeit und in der Außenkommunikation mit den Nutzenden, Unterhaltsträger und Politik verwendet werden. Die Bedeutung solcher Argumentation wird in den nächsten Jahren zunehmen und auch wahrscheinlich betriebswirtschaftliche Relevanz erlangen.
Diese vier Hauptthemen der Nachhaltigkeit wurden und werden in einem ersten Entwurf auf die digitalen Angebote des Landesdigitalisierungsprogramms (LDP) für Wissenschaft und Kultur des Freistaats Sachsen (Deutschland) angewendet. Das LDP wurde 2015 als zentrale Digitalisierungsinstrument des Freistaats für Medientypen wie Handschriften, Bücher, Fotografien, Grafiken und naturhistorische Objekte wie Herbarblätte aus Einrichtungen wie Bibliotheken, Archiven und Museen in Sachsen r ins Lebens gerufen und weist in jedem Jahr die Verdopplung der Nutzungszahlen auf. Besondere Bedeutung kommt hierbei den kleineren Kulturerbeeinrichtungen vor allem im ländlichen Raum zu, bisweilen weitab von den Peripherien von Groß- und Mittelstädten. Hinzukommen, neben der Digitalisierung aus sächsischen Einrichtungen, auch die der Digitalisierung von kriegsbedingt verlagerten Beständen aus Sachsen im Ausland.
An die im LDP produzierten Digitalisate wurden früher kaum Anforderungen im Sinne der Nachhaltigkeit, abgesehen von der Ressourcenschonung und Archivierung, gestellt. Das Thema betrifft nicht nur die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) als verantwortliche Einrichtung für das LDP, sondern auch die teilnehmenden Kulturerbeinstitutionen und die ausführenden Digitalisierungsfachfirmen, die sich diesem Thema ebenfalls widmen müssen.
Entstanden ist aus der praktischen Arbeit ein erster Kriterienkatalog der Nachhaltigkeit mit digitalem Kulturerbe, der nicht nur intern Auswirkungen hat, sondern auch Fragen an z. B. Ausschreibungsbedingungen adressiert.
Kurzbiografie
Geboren 1974 Erfurt/Deutschland
Studium Geschichte/Bibliothekswissenschaft/evang. Theologie
Seit 2000 an der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden angestellt, Fachreferent, Referatsleiter, Ateilungsleiter
2014/15 Abordnung an das sächsische Wissenschaftsministerium
Seit 2018 Leiter des Landesdigitalisierungsprogramms Sachsen