Der erste Eindruck zählt – Bibliotheksräume kuratieren

Klaus Ulrich Werner

Ist der aus der Kunstwissenschaft entlehnte Begriff Kuratieren nur ein schickes Label oder ein neues Paradigma für die Gestaltung von Bibliotheken? – Das professionelle Kuratieren von Publikumsflächen in der Bibliothek im Rahmen eines fokussierten Gesamtkonzepts von Raum, Ausstattung und Service kann vom Coworking Space lernen: mit einem umfassenden Gestaltungsanspruch und spezifischen Strategien des In-Beziehung-Setzens von räumlichen Angeboten zum Arbeiten und zum inspirierenden Aufenthalt ist der Coworking Space ein globales Erfolgsrezept der neuen Arbeitswelten. Die charakteristische Konfiguration dieser Arbeitsumgebung ist nicht nur der besondere Mix und die Balance in der Beziehung von Flächen und Ausstattung für Kommunikation, für die individuellen Arbeitsformen (intro-vertiert einzeln, im Team, zur Präsentation), für das Chillen und als Angebot zur körperlich-spieleri-schen Bewegung als Entspannung. Vielmehr ist es das gestalterische Gesamtkonzept aus Raum, flexi-bler Ausstattung sowie analogen und digitalen Services, das den ‚perfekten‘ Arbeitsort ausmacht.

Die aus dem Coworking Space hergeleitete Typologie von Flächenzonierung, Ausstattung und unterstützenden Services kann auf Bibliotheken gleich welchen Typs angewendet werden (und nicht nur die Publikumsbereiche betreffend, sondern auch auf die Arbeitsbereiche des Bibliotheksteams bezogen). Welches Potenzial hat der Coworking Space für das Kuratieren von Bibliotheken als Lernlandschaft? Diese Funktionsbereiche sollen an eindrücklichen Beispielen betrachtet werden:

  • die Eingangssituation,
  • Theken und Beratung,
  • Nutzerarbeitsplätze,
  • die Lounge,
  • Angebote für Bewegung und Spaß.

Kontrastierend kann gezeigt werden, wie zahlreiche öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken solche Elemente in den letzten Jahren erfolgreich adaptiert haben. Dabei spielen Modelle von Nutzer-partizipation eine immer größer werdende Rolle: der kuratierende Bürger ist ein gesamtgesellschaft-lich zunehmend sich verbreitendes Phänomen, aber eben auch eine gewünschte und geförderte Einla-dung zur mitgestaltenden Teilhabe.

Das professionelle Kuratieren von Bibliotheksräumen bleibt nicht auf die Einrichtung eines Neubaus oder Umbaus beschränkt, sondern umfasst ebenso Routineaufgaben des Managements von Publi-kumsflächen und ein verändertes Servicekonzept. Beim Betreten eines kommerziellen Coworking Spaces erschließt sich das spezifisch Kuratorische schnell und auch für die kuratierte Bibliothek gilt, unabhängig von Größe oder Bibliothekstyp: Der erste Eindruck zählt.

Literatur:

Kohlert, Christiane & Cooper, Scott (2017). Space for Creative thinking. Design Principles for Work and Learning Environments. München.

Mathews, Brian & Soistmann, Leigh Ann (2016). Encoding space. Shaping learning environments that unlock human potential. Chicago: ALA.

Vos, Aat (2017). How to create a relevant public space. Rotterdam: nai010 Publ.

Werner, Klaus Ulrich (2022). Baulich-gestalterische Anforderungen an das akademische Lesen in Bibliotheken. In: Akademisches Lesen. Medien, Praktiken, Bibliotheken, Hrsg. von Stefan Alker-Windbichler, Axel Kuhn, Benedikt Lodes & Günther Stocker, Göttingen: V&R Unipress., S. 309–324.

Werner, Klaus Ulrich (2020). Räume kuratieren – Vom Lernort zum Coworking Space. In: Ders. (Hrsg.): Bibliotheken als Orte kuratorischer Praxis. Berlin / Boston, De Gruyter, S. 215–249. (Bibliotheks- und Informationspraxis ; 67).

Werner, Klaus Ulrich (2022): Lernarchitekturen in Bibliotheken Vom Lesesaal zum Coworking Space. In: Architektur und Lernwelten. Perspektiven für die Gestaltung. Hrsg. von Richard Stang, Berlin/Boston: De Gruyter Saur, S. 160–175.

Kurzbiografie

Dr. phil. Klaus Ulrich Werner, Bibl.-Direktor. a.D., stud. Germanistik und Geschichte in Freiburg und Wien. Ab 1991 Bibliothekar an der FU Berlin, 2000–2021 Leiter der Philologischen Bibliothek. Lehr- und Beratertätigkeit im Bereich Bibliotheksbau und Bibliotheksmanagement. Mitglied der Fachkommission Bibliotheks- und Archivbau des DIN sowie der Library Buildings and Equipment Section der IFLA.

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