Das Potenzial offener Infrastrukturen für Innovationen in der Bibliothekssuche am Beispiel von Open Knowledge Maps
Peter Kraker, Lars Kaczmirek, Franziska Krauss, Chris Schubert, Oliver Lehner.
In den letzten Jahren haben sich die Anforderungen an akademische Such- und Discovery-Systeme erhöht. Neben dem stark steigenden Wachstum an Publikationen werden im Zeitalter von Open Science auch neue Output-Typen wie Datensätze, Software und Bilder publiziert. Es geht somit nicht nur um die Frage der Bewältigung der Menge an Publikationen, sondern auch um den Umgang mit der Vielfalt der Output-Typen [1].
Dies bringt auch Herausforderungen für bibliothekarische Suchsysteme mit sich. Klassische, listenbasierte System alleine können beispielsweise keinen adäquaten Überblick über die 800.0000 zum Coronavirus publizierten Texte und deren verknüpften Daten geben. Alternative Technologien wie Empfehlungssysteme, semantische Suche und Visualisierungen können hier Abhilfe bieten und erfreuen sich immer größerer Beliebtheit bei Forschenden und Studierenden [2].
Für Bibliotheken stellt sich nun die Frage, wie sie diese neuen Ansätze in ihre Suchsysteme einbinden können. In diesem Vortrag wollen wir ein Modell für die Einbindung anhand der Integration des visuellen Discovery-Systems Open Knowledge Maps in die bibliothekarischen Infrastrukturen der TU Wien und der Universität Wien (AUSSDA) vorstellen.
Bei Open Knowledge Maps kommen Wissenslandkarten (Knowledge Maps) zum Einsatz. Wissenslandkarten bieten einen Überblick über einen Suchbegriff, indem sie die Hauptbereiche und die
zu den einzelnen Bereichen gehörenden Dokumente auf einen Blick anzeigen. Auf der Webseite des Vereins (https://openknowledgemaps.org) können Nutzer*innen eine Wissenslandkarte für beliebige Suchbegriffe erstellen. Mittels einer speziellen Technologie-Schiene, den sogenannten Custom Services, können Institutionen nun ihre Discovery-Angebote um visuellen Suchkomponenten von Open Knowledge Maps erweitern. Diese werden wahlweise als Cloud-Komponenten eingebunden oder können als Open Source-Software am eigenen Server installiert werden.
Custom Services-Komponenten werden in Abstimmung mit der Community entwickelt und sind unter anderem bei der ETH Zürich (https://eth.swisscovery.slsp.ch/) und der EOSC-Plattform GoTriple (https://gotriple.eu) integriert. In Österreich sind die ersten beiden Anwendungsfälle an der TU Wien und an der Universität Wien entstanden.
An der TU Wien wurde Open Knowledge Maps in den Bibliothekskatalog “Catalog PLUS” (https://catalogplus.tuwien.at/) als erweitertes Suchangebot integriert. Die Suchkriterien, die im CatalogPlus erstellt bzw. gefiltert werden, steuern die Suchmaschine PRIMO an, parallel gibt es die Möglichkeit, mit den gleichen Argumenten Open Knowledge Maps über die Custom Services als externe Ressource abzufragen. Integriert wurden dabei die Darstellungsformen “Knowledge Map”, eine Clusterung nach ähnlichen Begrifflichkeiten, und “Streamgraph”, welche einen Überblick über die zeitliche Entwicklung von Themen gibt. In einem nächsten Schritt wird die TU Wien Bibliothek die Nutzung der Custom Services als thematischen Use Case zum Forschungsoutput in Bezug auf die UN SDG (https://sdgs.un.org/goals) weiter vorantreiben.
An der Universität Wien wurde Open Knowledge Maps im Rahmen eines Pilotprojekts in das Datenarchiv von AUSSDA - The Austrian Social Science Data Archive eingebunden (https://aussda.at/ueber-aussda/projekte/open-knowledge-maps/). Es zeigte sich, dass sich auch die vielfältigen Themen von Forschungsdaten visuell darstellen lassen, um einen Überblick zum Datenbestand zu erhalten. Die Darstellung bietet einen Themenüberblick mit einfachen und intuitiven Interaktionsmöglichkeiten zum Hineinzoomen und Navigieren zu einzelnen Studien.
Die Dienste von Open Knowledge Maps werden kostenlos und als offene Infrastruktur bereitgestellt. Um die Infrastruktur zu finanzieren und aufrechtzuerhalten, betreibt der Verein ein Crowdsourcing-Modell
mit Fördermitgliedern. Fördermitglieder werden Teil der Governance der Organisation und sind direkt in Entscheidungsprozesse um die technische Roadmap eingebunden.
[1] Kraker, P., Schramm, M., & Kittel, C. (2021). Discoverability in (a) Crisis. ABI Technik, 41(1), 3–12. https://doi.org/10.1515/abitech-2021-0003
[2] Matthews, D. (2021). Drowning in the literature? These smart software tools can help. Nature, 597(7874), 141–142. https://doi.org/10.1038/d41586-021-02346-4
Kurzbiografien
Dr. Peter Kraker ist promovierter Informationswissenschaftler und Gründer und Obmann von Open Knowledge Maps. Er ist Mitglied des Executive Boards von GO FAIR, Vorsitzender des GO FAIR Implementierungsnetzwerkes “Discovery” und Experte in der EOSC Task Force zu “Financial Sustainability”.
Dr. Lars Kaczmirek ist Leiter der Core Facility AUSSDA – The Austrian Social Science Data Archive (https://aussda.at/) an der Universität Wien. Er ist zudem Hon. Assoc. Prof. an der Australian National University (ANU). AUSSDA ist der nationale Service Provider von CESSDA ERIC und ist ein Konsortium der Universitäten Wien, Graz, Linz, Innsbruck.
Franziska Krauss, MA, ist bei AUSSDA - The Austrian Social Science Data Archive für den Bereich Kommunikation zuständig und unterstützt in der Organisationsentwicklung. Daneben arbeitet sie als Network Outreach and Engagement Officer bei OpenAIRE.
Chris Schubert leitet den Bereich Medienmanagement und Bibliotheks-IT, arbeitet im Bereich der semantischen Interoperabilität und Vokabular Management. Er war beim JRC der EC tätig, baute für die österreichische Klimaforschung ein Datenzentrum auf. Er ist in den EOSC Task Forces “FAIR Metrics & Data Quality” und “Semantic Interoperability” aktiv.
Oliver Lehner war gut 10 Jahre als Softwareentwickler tätig und ist seit 2011 an der TU Wien Bibliothek und seit 2016 Leiter der Fachgruppe Bibliotheks-IT. Migrationen aller Art sind seine Berufung