OPL - Definitionsbegriff

Nicole Emsenhuber

Eine solobibliothekarische Praxis von Allem ist unter One-Person Librarians ebenso sehnlich verfolgt und unerreicht wie eine physikalisch-mathematische Theorie von Allem unter Weltformel-Forscher:innen. One-Person Librarians haben an ihrem Arbeitsort eine ausnehmend vielfältige Aufgabenpalette abzudecken. Begriffen scheint es im OPL-Kontext nicht anders zu ergehen als Personen. Zum einen bezeichnet OPL die wortwörtliche Einpersonen-Bibliothek, zum anderen werden dank wertvoller Beiträge zur laufenden Wissenschaftskommunikation mit diesem Begriff auch One-Professional Libraries mitgedacht. Dadurch wird eine umfassendere und sinnvollere Ansprache der Berufsgruppe erreicht, aber auch eine Aufweichung der begrifflichen Trennschärfe losgetreten. Dieser Prozess der inkludierenden Ansprache soll mit nachfolgendem Vorschlag weitergeführt werden. Das dadurch parallel voranschreitende Erodieren der Begriffspräzision soll dabei durch das Wahrnehmen neu angedachter Oberbegriffe abgefangen werden.

Der „Kondensationskern“: In einer OPL ist die Krise die Norm. Keine eskalierte Krise sei gemeint, aber eine profunde, weil strukturelle – und nicht einzig One-Person oder One-Professional Libraries sind betroffen. In jeder Bibliothek, bei der irgendein Bereich auf nur einem Standbein ruht, herrschen harte Arbeitsbedingungen, die schneller in eine eskalierte Krise umschlagen können als andernorts.

Jeder Bibliothekstypus, dem sich ein „One“ als Präfix vor seine Benennung setzen lässt, teilt diese enge Verbindung mit allen anderen One [fill in the gap] Libraries, nämlich die Krise als Grundeinstellung der bibliothekarischen Einrichtung. Wo nur eine Person eingesetzt ist oder nur eine Fachkraft oder nur eine Zielgruppe, von der alles abhängt, ist der „Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung“ – so die Duden-Definition – stets vor Augen. Bei mehreren Standbeinen kann ein Ausfall (Krankenstand, Marktveränderung etc.) durch die anderen tragenden Säulen des Systems ausgeglichen werden. Bei One-Person, One-Professional, One-Party (nur eine Ansprechpartei/Zielgruppe im Finanzierungs- oder Nutzer:innen-Bereich) Libraries reicht schon eine gewöhnliche Fluktuation in diesem einsäuligen Bereich und die strukturelle Krise hat das Potential zu eskalieren.

Um diese breiter gedachte Bibliotheken-Gruppe adressieren zu können und um den Begriff der One-Person Library (OPL) von seiner mit der Zeit angehäuften Mehrfachbedeutung zu entlasten, soll ein neuer Oberbegriff ergänzend vorgeschlagen werden: Polar Library (PoL).

Man stelle sich ein geografisches Koordinatensystem als Vergleichskonzept vor. Viele Koordinatenpunkte finden sich entlang jedes Breitengrades einer Hemisphäre, doch es lässt sich nur einer für einen Pol ausweisen. Der Pol einer Hemisphäre kann für unseren Zweck „One“ verkörpern und gleichzeitig die harschen Arbeitsbedingungen, das „polare Klima“ für bibliothekarische „Einzelkämpfer:innen“ symbolisieren: eine isolierte (zumindest periphere) Position (sowohl in Bezug zum Kollegium des eigenen Unternehmens als auch zu bibliothekarischen Fachkolleg:innen),unsichere Versorgungswege (zum Beispiel in Bezug auf Information aufgrund der isolierten Position), knappe Ressourcen.

Während Polar Library (PoL) einen Oberbegriff zur wortwörtlichen One-Person-Library (OPL) darstellt und One*Library [Asterisk im Sinne des Booleschen Operators] verkörpert, wird Polar Circle Library als Oberbegriff zu Polar Library vorgeschlagen. Diese Polarkreis-Bibliotheken umfassen die One*Libraries plus alle Bibliotheken, die ebenfalls harte Bedingungen durch eine periphere Position oder karge Ressourcen zu managen haben, in diesem kritischen Bereich aber noch nicht bei der definitorischen 1 der PoL angekommen sind.

Die beiden neuen Oberbegriffe dienen erstens der Beheimatung der mit der Zeit angehäuften Nebenbedeutungen von OPL, zweitens der Inklusion noch nicht abgeholter, aber bedingungsähnlicher Bibliotheken und drittens der klaren Adressierung weiter und enger gefasster Ansprechgruppen.

Kurzbiografie

Datennormalisierung und Suchmaschinentechnologie beschäftigen Systembibliothekarin Mag. Nicole Emsenhuber bei der OBVSG. In 8 Jahren als EPU hatte sie sich vielen strukturellen Herausforderungen einer OPL ebenfalls zu stellen und fühlt sich der Community daher eng verbunden.

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