10 Jahre Jugendarbeit in einer Öffentlichen Bibliothek: Ein erfolgreiches Projekt
Heinz Oehen und Sibylle Rudin
In einigen Filialen der GGG Stadtbibliothek Basel kam es immer wieder zu Konflikten mit Jugendlichen. Statt diese wegzuweisen, sollten sie explizit willkommen geheissen werden. Dazu wurde vor 10 Jahren in Kooperation mit der Organisation Jugendarbeit Basel (JuAr) ein Pilotprojekt gestartet. Dieser erste Versuch, disziplinarische Probleme zu lösen, hat sich unterdessen zu einem umfassenden und in der Schweiz einzigartigen Konzept der «Jugendarbeit in der Bibliothek» entwickelt.
In der GGG Stadtbibliothek Basel sind die Jugendlichen seit jeher Teil der Kundschaft, vor allem in Quartieren mit Migrationshintergrund. Die Jugendlichen treffen sich in der Bibliothek, machen Hausaufgaben, schreiben Vorträge für die Schule und Bewerbungen. Aber auch gamen und chillen sind angesagt. Die Einführung des kostenlosen WLANs steigerte die Attraktivität von Bibliotheken für Jugendliche zusätzlich.
In den Basler Bibliotheken bestand vor zehn Jahren eine gewisse Ratlosigkeit darüber, wie das Personal mit Jugendlichen, welche den Bibliotheksbetrieb stören, umgehen soll. Statt die Polizei zu rufen, wollte die Bibliothek den Jugendlichen auf Vertrauensbasis begegnen und sie so auch fürs Lesen, Schreiben und Entdecken mit analogen und digitalen Mitteln begeistern.
Mittlerweile sind zwei Jugendarbeitende mit insgesamt 120 Stellenprozent angestellt, im Winter zusätzliche 40%. Die Finanzierung geschieht unterdessen durch den Kanton und eine Stiftung.
Spielerische Leseförderung in den Bibliotheken
Jugendliche, die die Bibliothek als Treffpunkt benützen, werden einbezogen und vermehrt zur Beteiligung an kulturellen Inhalten eingeladen. Die Jugendarbeit leistet damit einen Beitrag zur ausserschulischen Bildung, insbesondere im kulturellen und ästhetischen Bereich und ist in Zusammenarbeit mit der Bibliothek ein wichtiges Element der spielerischen Leseförderung geworden.
Analoge Treffpunkte in einem mediatisierten Alltag
Analoge Treffpunkte sind in einer digitalisierten Welt essentiell geworden. Sie machen es möglich, der Einsamkeit und Depressionen, die durch die Digitalisierung und durch die Pandemie zugenommen haben, entgegenzuwirken. In der Bibliothek kann eine gewisse Unabhängigkeit an einem sicheren Ort ausgelebt werden. Umgekehrt können aber auch Jugendliche, denen im Elternhaus wenig Zeit gewidmet wird, in einer anregenden Umgebung Ansprechpartner finden.
Online-Welt thematisieren und analoge Alternativen anbieten
Gerade heute, in einer jugendlichen Lebenswelt, die vor allem virtuell geprägt ist, wird es immer wichtiger im Dialog mit dem Jugendarbeitenden diese Welt zu justieren, zu bewerten und zu diskutieren. Mittels spannender Angebote werden auch Kenntnisse zum kreativen Gebrauch von Smartphones & Co vermittelt. Dabei gelingt es den Jugendarbeitenden kritische Fragen anzusprechen, ohne mit der Keule zu schwingen. Es ist wichtig, den Jugendlichen zu zeigen, dass neben dem Konsum von digitalen Medien, die eigene Vorstellungskraft, die Kreativität und die Fantasie helfen, Selbstwirksamkeit aufzubauen.
Sozialkompetenz stärken
Die Jugendarbeit kann den jungen Menschen helfen, sich auf vielfältige Weise ausdrücken zu lernen, ihre Interessen wahrzunehmen und in einem partizipativen Kontext umzusetzen. Gerade das Miteinander verschiedener Generationen und Zielgruppen werden in einer Bibliothek geübt.
Mitarbeitenden/ erweitertem bibliothekarischem Fachkreis den Umgang mit Jugendlichen näherbringen
Die Jugendarbeit versucht auch das Bibliothekspersonal einzubeziehen, indem sie sowohl im Alltag als auch in Workshops die Mitarbeitenden schult. Auch im Rahmen von Bibliotheksweiterbildungen (Schweiz und Deutschland) vermitteln die Jugendarbeitenden ihr Wissen zur Jugendarbeit in Bibliotheken. Ab 2023 ist ein Ausbildungsplatz in der Bibliothek im Rahmen des Bachelors «Soziale Arbeit» geplant.
Kurzbiografien
Heinz Oehen:
Ausbildung Bibliothekar VSB, Kaderkurs an der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule (HWV) Luzern. Seit 1991 bis heute Leitung der Hauptstelle Schmiedenhof, Cheflektor und Vizedirektor der GGG Stadtbibliothek Basel
Sibylle Rudin:
Studium der Geschichte in Basel und MAS Educational Technology (Pädagogischen Hochschule) in Luzern. 2000 bis 2014 Geschäftsleitungsmitglied der Kantonsbibliothek Baselland (Leiterin Kinder und Jugend). Heute Vizedirektorin und Leiterin Filialen und Leseförderung in der GGG Stadtbibliothek Basel.