Die erzbischöfliche Hofbibliothek in Salzburg. Ein Rekonstruktionsversuch
Beatrix Koll
Das Jahr 1807 war für die Universitätsbibliothek Salzburg von großer Bedeutung: Sie konnte mehr als 20.000 Handschriften und Drucke aus der aufgelösten Hofbibliothek der Salzburger Erzbischöfe als Geschenk des Kaisers übernehmen. Allerdings handelte es sich dabei nicht um den Gesamtbestand: Wertvolle Manuskripte und Drucke wurden bereits 1801 im Zuge der napoleonischen Kriege von François-Marie Neveu, dem für Deutschland und Österreich zuständigen Regierungskommissar für die Wissenschaften und die Künste, für die Bibliothèque Nationale in Paris requiriert. Diese Codices wurden während der Zugehörigkeit Salzburgs zu Bayern zurückgefordert und auch tatsächlich rückerstattet, allerdings nicht an Salzburg, sondern an die Königliche Bibliothek in München.
Heute sind die an der Universitätsbibliothek Salzburg verwahrten Bestände nicht als geschlossene Einheit aufbewahrt, sondern verteilen sich auf die Sammlungen der Handschriften, Wiegendrucke, Frühdrucke, Rara und Normalbestände; dazu kommen jene Bücher, die sich an der Bayerischen Staatsbibliothek in München, an der österreichischen Nationalbibliothek und dem österreichischen Staatsarchiv befinden. Entsprechend schwierig und zeitaufwändig gestalten sich die Rekonstruktionsversuche. Alte Bibliothekskataloge der Hofbibliothek konnten bislang nicht gefunden werden. Provenienzmerkmale auf den Buchrücken gestatten eine Zuordnung zur ehemaligen Hofbibliothek nur bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, danach erlauben lediglich Supralibros der Fürsterzbischöfe eine eindeutige Zuweisung. Fehlen diese Besitzerzeichen, gelingt der Provenienznachweis, wenn überhaupt, fast ausschließlich über die Analyse des Einbandes.
Dieser Vortrag gibt einen Einblick in bislang erfolgte Rekonstruktionsversuche im Bereich der Handschriften, Wiegendrucke, Frühdrucke sowie der Rarabestände bis 1700 und zeigt die Probleme auf, die bei der Erforschung der Drucke nach 1700 auftreten. Teilziel des Projektes ist außerdem der elektronische Nachweis der ermittelten Daten im aktuellen Bibliothekssystem und in externen Datenbanken.
Kurzbiografie
1982-1990 Studium der Klassischen Philologie/Latein und der Germanistik an der Universität Salzburg. Seit 2000 Leiterin der Sondersammlungen an der Universitätsbibliothek Salzburg. Zahlreiche Publikationen zum Handschriftenbestand und zur Provenienzforschung.