Medien / Kunst
Judith Neunhäuserer: Drift. Film-Stills (2021)
Judith Neunhäuserer: Drift. Video (2021)
Charlotte Warsen: [so ist es nun aber Abend] (2019)
so ist es nun aber Abend
und ich kann mit keiner möglichen Todesart leben
man trieb auf Klarnamen und Barken durch die Nacht
im Innern einer Salzwasserlagune
einige von uns die vom Ufer wiederkehrten
waren mit Fliegen dermaßen bedeckt
dass sich kein Teil von ihnen mehr erkennen ließ im
Mondschein jede Einzelne ein benzinfarbener Schwarm
sogleich bemächtigten sich die Insekten auch der an Bord Gebliebenen
trugen sich so dick auf Gesicht und Körper auf
dass man weder aus noch ein wusste
zwei oder drei Tage hielt diese Plage an …
es war kaum witzig und es mussten alle grinsen
am dritten Morgen gaben Palmwedel und Vogelschwingen den Blick frei
ins abgeblühte Landesinnere
auf eine Summe Affenrufe welliger Empfindungen schlug uns schwül
entgegen Ich hielt an einer Wasserstelle inne
[...]
Zum Nachhören auf Lyrikline.org
Felix Dorn: Anthropozän in den Anden
Daniel Falb: Svalbard Paem (2018)
Svalbard Paem übergibt sich in den tauenden Gang von Svalbard,
an dessen Ende die drei Tresore mit den Saaten sind, zeigt,
was in seinem Magen ist: klimawandelresistentes metallisches Sorghum,
Stücke von Okra-Gravur in einer Wolke aus brodelndem
Messing unter dem Mandat des Global Crop Diversity
Trusts. Und Coke Light. Svalbard Paem ist dein, oder mein,
Leben, das sich in Generationen wiederholt, unter der Haube
*aus Linnen*, da, wo auch Svalbard Paems nassgeschwitztes
Haar ist, übergibt sich ins sich umwendende Krebsgesicht
und auf die sommersprossigen Schultern von Cis-Cary Fowler,
das ist einer der Initiator*innen, der, apriorisch,
30 cm direkt vor Paems Nase
den Gang runtergeht, mit seinem lockigen Haar, mit seinem Haar,
und nettchen labert. Bei einer Führung. Mit einer Ledertasche.
Und wie ein helles Tattoo, von dem ich glaub’, dass es auf seiner Wange
hin- und herwandert und sich „lichtend“ vertieft, erblickt Svalbard Paem
das große Kreuz, das ist das vertikal durchgestrichene Kreuzsymbol,
von dem sein Gesicht mit Licht fast durchlöchert ist wie ein
Moscheeraum. Svalbard Paem übergibt sich direkt
in sein Gesicht. Aber Cis-Cary Fowler merkt es nicht, ist
Augmented Reality von Paem, wird auf sein’ „Netzhaut“ im
Gegenlicht angezeigt mit Schilfgras, egal
wohin und an wen es sich wendet.
Svalbard Paem ist, empirisch, im Südtiroler Archäologiemuseum
in Bozen, das Erbrochene fällt warm
in die eingeknüllten eingesternten Augenhöhlen
von Ötzi – Erste Samenbank für mtDNA mit Arm-Chiffre –, fällt
in seinen Mund, an dem die Weltbevölkerung wächst,
mit seinen schwarzen Herzen pulsierend in der trockenen Armmuskulatur,
da Fowler seine kleine Führung auf dem
Ersten Zufälligen Saatguttresor fortsetzt, „its
stomach content yellowish to brownish colored and mushy
with some bigger pieces of grain and meat,“ namentlich Kleie oder
Brot vom Einkorn, Gerste, Adlerfarn, Pollen
von Kiefernartigen und Hopfenbuchen, getrocknetes oder
geräuchertes Fleisch vom wilden Alpensteinbock
Capra Ibex, organs like the spleen, liver or brain from red
deer was also Teil seines Mahls, die Eier
des Peitschenwurms. Gehirn breitet sich wuschig wuschig
aus an seinem, vom Klimawandel frei-gelegten Mund. Immer mehr
Paeme stehn an seinem Käfig, wippen mit breiter Hose
in der Hocke. Sein Sperma, weiß im Schnee der italienischen
Alpen. Svalbard Paem übergibt sich heftig in eine Felswand.
Zum Nachhören auf Lyrikline.org
ACT I SCENE I, workshop (2017)
Making Tellus: A Ritual Opera for the Anthropocene
Librettist: Andrew Robert Munn
Ben Grow, conductor
Andrew Robert Munn, bass; Charlotte Mundy soprano; Sharon Harms, soprano; Kate Maroney, mezzo.
The Nouveau Classical Project: Laura Cocks, flute; Mara Meyer, clarinet; Joe Tucker, percussion; Sugar Vendil, piano; Maya Bennardo, violin; Thea Mesirow, cello.
Prelude to Making Tellus (2015)
Making Tellus: A Ritual Opera for the Anthropocene
Composer: Nina C. Young
Librettist: Andrew Robert Munn
Performers: Andrew Robert Munn, bass; Rami Sarieddine, piano; Julian Lambert, contra bass