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Queere Auslegungen der Liebesgebote aus dem biblischen Buch Levitikus
Karin Hügel


Abstract

Die Liebesgebote aus Levitikus – das Nächstenliebegebot Lev 19,18 und das Fremdenliebegebot Lev 19,34 – werden im Anschluss an drei traditionelle Interpretationsvarianten des Nächstenliebegebots der Hebräischen Bibel queer ausgelegt. Erstens kann Lev 19,18 folgendermaßen übersetzt werden: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie du dich selbst liebst bzw. lieben sollst. Der oder die Nächste soll in dem Maß geliebt werden, wie jemand sich selber liebt, was Selbstliebe voraussetzt. Zweitens kann Lev 19,18 Folgendes bedeuten: „Du sollst deinen Nächsten lieben, denn er ist ein Mensch wie du“. In der jüdischen Aufklärung schuf Naftali Herz Wessely eine neue Auslegungstradition des Nächstenliebegebots, indem er die Gleichheit aller Menschen durch Rekurs auf die Schöpfung theologisch begründete. Aus heutiger feministischer und queerer Sicht gilt es jedoch eine inklusive Neuinterpretation des biblischen Nächsten- und Fremdenliebesgebots einzufordern, sodass die Liebesgebote aus Levitikus als Aufruf zum respektvollen Handeln auch und besonders gegenüber Frauen und diversen Minderheiten – wie unterschiedlichen queeren Personen – verstanden werden können. Drittens kann Lev 19,18 im Sinne der negativen Goldenen Regel verstanden werden: „Du sollst deinen Nächsten lieben, sodass, was dir verhasst ist, du ihm nicht tun sollst“. Bereits zur Zeit der Abfassung der aramäischen Übersetzungen von Lev 19,18 und Lev 19,34 galten die Liebesgebote aus Levitikus als auslegungsbedürftig, sodass die negative Goldene Regel in sie eingeflochten wurde. Nicht nur bedeutsamen Rabbinern wie Hillel oder Akiba, sondern auch Jesus von Nazareth wurde die Goldene Regel zugeschrieben. Auch die Goldene Regel sollte heute – im Unterschied zur Antike – inklusiv verstanden werden und unter Einbezug nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen und diversen queeren Personen im Sinne einer Ethik des guten Miteinanders aller Menschen dieser Welt angewendet werden.

 

Zur Person

Karin Hügel, Mag. theol., promoviert an der Universität von Amsterdam mit einer Arbeit über „Queere Lesarten der Hebräischen Bibel“.

 


Panel 11: Kunst und Literatur: Über das Verhandeln von Identität(en)

Zeit: Freitag, 08. November 2019, 09:00-10:30 Uhr
Raum: Seminarraum 2, Universitätsstraße 15, 1. Stock WEST

 

Veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Geschlechterforschung und der FP Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck (CGI) in Kooperation mit dem Büro für Gleichstellung und Gender Studies der Universität Innsbruck.

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