Der Revolutionär und Pazifist Ernst Toller (1893–1939) war während der Münchner Räterepublik zeitweise Vorsitzender des Zentralrats und Abschnittskommandant der Roten Armee. Nach seiner Freilassung aus der politischen Festungshaft (1920–1924), zu der er wegen Hochverrats verurteilt wurde, galt er weit über die Grenzen der Weimarer Republik hinaus als der Inbegriff des politischen Schriftstellers, hatte er doch während seiner Haftzeit u. a. die expressionistischen Dramen Masse Mensch, Die Maschinenstürmer und Der deutsche Hinkemann verfasst, die an führenden Theatern mit großem Erfolg aufgeführt wurden und ihn schlagartig bekannt machten.
Als sich in Wien in den 1920er Jahren eine linksorientierte Gegenkultur entwickelte, die die lange vorherrschende, von „der Ästhetik, der Psychologie und der Sprachkritik“ (Doll 1997, S. 9) geprägte Kultur und Literatur ablöste und sich zum „international einzigartigen Phänomen“ (ebd.) entwickelte, wurde Toller neben anderen Autor*innen und Intellektuellen zum Impulsgeber und wichtigen Akteur im Transfer von Ideen und Texten zwischen den geistigen Zentren Berlin und Wien. Insbesondere – aber nicht nur – galt dies für sein Theaterschaffen, das u. a. die Schriftsteller Fritz Rosenfeld oder den mit Toller befreundeten Ernst Fischer beeinflusste. Jürgen Doll bezeichnet Toller in seiner Studie über das Theater im Roten Wien gar als einen der „unter den Wiener Sozialdemokraten populärsten Autoren“ (ebd., S. 127). Das Werk und die Präsenz dieser wichtigen literarischen Referenzfigur nicht nur für die österreichische Arbeiterbewegung sollen im Rahmen der Dissertation erstmals im Kontext der Literatur der Zwischenkriegszeit in Österreich untersucht werden – einem Umfeld, das nicht nur für den Autor Toller äußerst wichtig und produktiv war und in dem er sich häufig aufhielt, das aber hinsichtlich der Verflechtungen des österreichischen Kulturbetriebs mit jenem der Weimarer Republik von der Forschung bis dato unberücksichtigt blieb.