Anklöpfeln
Zeugnisse für Volksbrauch und Volksglauben des Anklöpfelns sind seit Mitte des 15. Jahrhunderts aus Losbüchern belegt. Das Anklöpfeln in den Klöpfelnächten ist dort als ein weltlicher Brauch dokumentiert, der nicht auf das christliche Weihnachtsgeschehen bezogen war. Anklöpfeln galt vielmehr als auf den Jahreswechsel bezogener Orakelbrauch und war nicht unmittelbar mit Gabenheischen verbunden. Durch Anklöpfeln wollte man die Zukunft erforschen. Wenn man z.B. zur richtigen Stunde an Stallwände klopfte, hörte man die Haustiere von den Toten des kommenden Jahres reden.
In Tirol war die Bedeutung der Klöpfelnächte (das sind die drei Donnerstage vor Weihnachten) als Lostermine noch im 19. Jahrhundert fallweise bekannt.
Für das Anklöpfeln als Heischebrauch liegen die ersten Nachrichten seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts vor. 1520 wird es bei Johannes Boemus erstmals als Kinderheischebrauch beschrieben. In der Folge kam es immer wieder zu Verboten oder Einschränkungen des Brauchs, weil er entweder gegen die öffentliche oder die kirchliche Ordnung zu verstoßen schien. Man wollte den öffentlichen Anstand beleidigende Mißbräuche verbieten, als unchristlich empfundenen Elemente beseitigen oder diese mit christlicher Deutung belegen. Die Verbote hatten im allgemeinen wenig Erfolg. Im Zuge der Gegenreformation setzte schließlich eine bewußt christliche Ausformung des Anklöpfelns ein, die allerdings sehr unterschiedlich Platz griff. In einem Osttiroler Gebetsbuch aus dem Jahr 1619 findet sich bereits eine Anleitung "wie man die drey Donnerstag vor Weihnachten soll geistlich anklöpfeln". Demgegenüber überwiegen in manchen Gegenden Südtirols, etwa im Sarntal noch heute die nicht-christlichen Elemente (Gabenheischen, Rügesprüche) in der Brauchausübung.
Als Träger des Brauches traten in Stadt und Land vor allem Kinder, Lehrjungen und arme Leute auf. Daß die Klöpfler teilweise vermummt auftraten, läßt sich aus frühen Zeugnissen vermuten, seit dem 19. Jahrhundert aus genauen Schilderungen belegen. Trotz der zeitweise fast völligen Reduzierung auf das Gabenheischen haben sich im Anklöpfelbrauchtum bis in unsere Zeit im wesentlichen vier Elemente gehalten: das Glück- und Segenwünschen (Jahreswechsel, gute Ernte), das Heischen bzw. die Beschenkung und Bewirtung, die Anlehnung an das Weihnachtsgeschehen und an manchen Orten das Aufsagen von Versen und Gegenversen zwischen Anklöpfler und Hausvater. Diese vier Elemente sind in den gegenwärtig noch geübten Brauchformen unterschiedlich stark ausgeprägt, sodaß das Erscheinungsbild des Anklöpfelns oder –klöckelns regional ganz verschieden sein kann. So haben sich etwa in Südtirol ganz andere Formen als in Nordtirol erhalten.
Bekanntestes Beispiel in Südtirol ist das "Klöckeln" im Sarntal. Gruppen von 10 bis 12 Burschen unter Führung eines Bockshornbläsers ziehen hier von Hof zu Hof und bilden unter gewaltigem Lärmen einen Kreis um zwei seltsame, "Zuslmandl" und "Zuslweibl" genannte, miteinander streitende in Lederhose und Dirndl gekleidete Gestalten. Nach dem christlichen Klöckellied, das mit dem Wunsch nach "Klöcklwürsten" endet, und dem Aufsagen von Versen, folgt die Bewirtung. Ehe die Klöckler das Haus verlassen, tragen sie noch ihre Glückwünsche für das neue Jahr vor.
In Nordtirol ist das Anklöpfeln heute vor allem noch im Unterinntal anzutreffen. Hier trägt der Brauch stärker christliche Züge. Ältere Wunsch- und Heischelieder wurden weitgehend durch christliches Liedgut ersetzt, wie das Glückwünschen und Heischen überhaupt in den Hintergrund getreten ist. Immer häufiger ziehen die Gruppen nicht mehr an den Donnerstagen, sondern an den Wochenenden von Haus zu Haus, klopfen an Tür und Fenster, tragen ihre Lieder vor, um dann nach der Bewirtung oder Beschenkung wieder aufzubrechen. Die Klöpfler sind teilweise maskiert, meist aber tragen sie Hirtenkleidung und lange weiße Bärte. In jüngerer Zeit gehen öfters auch Maria und Josef und ein weißbeschürzter Wirt, eigentlich die Gestalten des Herbergsuchens, mit. Früher wurden die Klöpfler mitunter auch von Hexen- und Teufelsgestalten begleitet. Daß seit 1980 nur mehr alle zehn Jahre durchgeführte Anklöpfeln in Stans bei Schwaz weist Gestalten auf, die teilweise aus den Nikolausspielen übernommen sind.
Über die frühe Verbreitung des Anklöpfelns im Raum Innsbruck und Mittelgebirge ist wenig bekannt. In der Zwischenkriegszeit wurde das Klöpflsingen in Axams von Frauen aus sozial benachteiligten Kreisen durchgeführt, die sich auf diese Weise ein kleines Zubrot erwerben konnten. Nach dem Krieg ging der Kirchenchor einige Zeit für die Renovierung der Kirche anklöpfeln. In den 60er und 70er Jahren kam der Brauch hier völlig zum Erliegen. Erst in den letzten Jahren hat sich der Axamer Männerchor wieder der Tradition des Anklöpfelns angenommen, wobei auch in Axams der Termin aus praktischen Gründen auf das Wochenende verlegt wurde.
Literatur:
Moser, Hans: Zur Geschichte der Klöpfelnachtsbräuche, ihrer Formen und ihrer Deutungen. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1951. Festschrift für Josef Maria Ritz. S. 121-140.
Hörmann, Ludwig von: Tiroler Volksleben. Ein Beitrag zur deutschen Volks= und Sittenkunde. Stuttgart 1909.
Schneider, Ingo: Zur Geschichte und Entwicklung der Anklöpfelbräuche (Typskript).