Das Brot im Tiroler Osterbrauch
Wie bei allen großen Anlässen des Jahres- und Lebenslaufes entwickelten sich auch im Osterkreis eigene Speisebräuche. Es liegt nahe, daß dabei dem Brot als ein Hauptnahrungsmittel eine besondere Rolle zukommt
Grundsätzlich lassen sich bei den österlichen Brot- und Gebäckformen drei Gruppen unterscheiden: die Fastengebäcke, die Patenspenden oder Patengeschenke (Gotlpack) und die eigentlichen Osterbrote oder Weihebrote, wobei vor allem im 20. Jhd. einzelne Brotformen gleichzeitig in zwei oder auch in allen drei Gruppen angetroffen werden können. So verhält es sich zum Beispiel mit der Breze. Der Name kommt von lat. brachium = Arm, bzw. Klosterlatein brachitium = Gebäck in Form verschlungener Arme. Wie früher die Faschingskrapfen nur im Fasching, so wurden die Fastenbrezen nur in der Fastenzeit hergestellt. Gemeint sind hier die Laugenbrezen - rohe Weißbroteigrollen werden zunächst in Holzaschlauge gesotten, dann in Brezenform gebracht und gebacken.
Mit diesen Brezen verband man früher zahlreiche Bräuche. In Sarntal (Südtirol) wurden an allen Pfinztagen (=Donnerstagen) der Fastenzeit um solche Brezen "perlagget" oder "geboten", also Karten gespielt. In Zusammenhang mit dem Palmprozessionen standen an mehreren Orten, so etwa in Rum (Thaurer Prozession) oder in Tiesens oder Lana, sogenannte "Brezenstiftungen" bei denen Brezen an die Schulkinder verteilt wurden.
Noch heute gehören kleine Brezen in vielen Teilen Nordtirols zum Schmuck der Palmbuschen. Große Brezen aus Michbrotteig gehören in ganz Tirol zu den verbreitetsten Gebildbroten beim österlichen "Goltpack"
Ein anderes, sehr altes Gebildbrot der Osterzeit ist der Forchaz oder Fochatz (von lat. focus = Feuer, mittelhochdeutsch vochenze). Damit war ursprünglich ein unter der Asche gebackenes Fladenbrot gemeint. Seine Herstellung wurde bereits in einem deutschen Reisebericht aus dem 15. Jahrhundert beschrieben. Unklar ist, wann die Bezeichnung auf die gesalzenen Weinbrote der Osterzeit übertragen wurde. Während der Forchatz noch in der 1. Hälfte des 20. Jhd. in erster Linie in Südtirol (Vinschgau, Eisacktal) als Patengeschenk verbreitet war, finden wir ihn heute auch in vielen Nordtiroler Bäckereien (u.a. Innsbruck).
Zu den in Tirol als "Gotelpack" am weitesten verbreiteten Tiergebäcken aus Milchbrotteig zählen Hase, Huhn oder Henne, im Unterinntal der Hirsch und im Eisack- und Pustertal das Pferd.
Seltener finden wir Gebildbrote in Form eines Kranzes oder Striezels. Beides ist jedoch in einigen Gemeinden des Außerfern (Bezirk Reutte) anzutreffen. Hase, Hahn und Henne werden heutzutage auch gerne in Bäckereien zum Verkauf angeboten, jedoch ist dieser Brauch vielerorts im Rückzug begriffen.
Literatur:
Grass, Nikolaus: Ostern in Tirol, Innsbruck 1957
Heider; Friedrich: Tiroler Brauch im Jahresbrauch, Innsbruck 1968
Schneider Ingo: Brot im Tiroler Osterbrauch, in: Tiroler Bauernzeitung vom 27. März 1986