Leonhardiritt in Kundl


Der Leonhardi-Ritt in Kundl ist auf das Engste mit der Geschichte der Kirche St. Leonhard auf der Wiese, nur wenig außerhalb des Dorfes, verbunden. Sie sei laut Legende durch Kaiser Heinrich dem Heiligen im Jahre 1019 zur Erfüllung eines Gelöbnisses errichtet und 1020 durch Papst Benedikt VIII. bei einer Reise durch Tirol eingeweiht worden. Der heutige Bau stammt allerdings aus dem 16. Jahrhundert. Zur Zeit Josefs II. wurde die Kirche gesperrt - und fast wäre sie verteigert und abgerissen worden, hätten sich nicht die tiefgläubigen Bauern der Umgebung für den Erhalt des Gotteshauses eingesetzt.

1963 wurde die Restaurierung der Kirche notwendig, die Summen aus öffentlicher Hand reichten jedoch nicht aus. So entschloß man sich den Brauch des Leonhardirittes wiederzubeleben. Noch im 19. Jahrhundert waren nämlich Leonhardiritte zur Kundler Leonhardskirche veranstaltet worden. Der Verkauf von Blechtafeln des hl. Leonhard für den Schutz von Haus und Stall trug zur Mitfinanzierung der Kirchenrestaurierung bei.

Leonhardiritt in Kundl 1992

Leonhardiritt in Kundl 1992

Der Tiroler Viehzuchtverband und die Pfarre Kundl organisieren seit 1963 den Leonhardiritt, es nehmen aber auch andere Vereine, insbesondere Reitervereine, daran Teil. Vom Kundler Ortszentrum aus setzt sich am Sonntag nach dem 6. November eine Reiterprozession in Richtung Leonhardskirche in Gang. Angeführt von einem Reiter mit Vortragskreuz folgt die Gruppe der ca. 80 bis 100 Reiter in den Trachten ihrer Herkunftsorte oder dem Sportdress der einzelnen Vereine. Es sind auch einzelne Bauer der Umgebung von Kundl dabei. Hinter der Reitergruppe fährt eine Kutsche mit dem Priester, der die Feldmesse halten wird.

Gelegentlich nehmen auch Festwägen, etwa ein Erntewagen, oder ein Leonhardswagen an der Prozession teil. 1966 wurde eine Erntekrone von vier Burschen mitgetragen.Vor der Leonhardskirche angekommen, wird eine Feldmesse auf der Wiese vis à vis des Gotteshauses zelebriert.

Der erste moderne Leonhardiritt schloß mit einer Messe in der Leonhardskirche ab, da aber der allergrößte Teil der Prozessionsteilnehmer aus Platzmangel am Gottesdienst nicht teilnehmen konnte und der Lärm um die Kirche die Messbesucher störte, entschloß man sich im folgenden Jahre für die Feldmesse, die bis heute beibehalten wurde.

Im Leonhardiritt sind Elemente der tradititionellen magischen Vorstellungen (Pferdeweihe) mit solchen des Erntedank-Brauchtums (Erntekrone) vereint. Durch die Einbeziehung der Reitervereine trat auch der Sportgedanken hinzu. Zum Abschluß wurden nämlich nach der Messe, der Pferde- und Plakettenweihe gelegentlich auch noch Reitübungen vorgeführt.

Der Kundler Leonhardiritt zeigt also recht eindeutig die Wandlungen, die ein Brauch, trotz seiner kirchlichen Bedeutung und unabhängig von touristischen Entwicklungen, durchlaufen muß, wenn er in einer gewandelten Wirtschaftswelt überleben soll.

 


Literatur:
Haider Friedrich, Tiroler Brauch im Jahreslauf, Innsbruck 1985, 364 f.
Kapfhammer Günther, Brauchtum in den Alpenländern, Ein lexikalischer Führer durch den Jahreslauf, München 1977, 163.

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