Wintersemester 2022/23: Uyen My Le, Angelika Strobl
In letzter Zeit verstrickt sich der globale Sport zunehmend in Wirtschaft und Politik und dabei handelt es sich auch um moralisch problematische Themen. Dadurch hat sich der Begriff “Sportswashing” etabliert. Im Wesentlichen ist Sportswashing die Ausrichtung einer globalen Sportveranstaltung in einem politisch-kritischen Land oder die Verbindung von internationalem Sport zum Land aufgrund möglicher Imageverbesserung. Diese Länder sind dafür bekannt Menschenrechte zu missachten und außerhalb eines Rechtsstaats zu handeln. Mithilfe von Sportswashing wollen diese davon ablenken und der Welt zeigen, wie weltoffen sie sein können. Jedoch stellt sich die Frage, wie weit Sportswashing gehen kann und wie erfolgreich diese Strategie ist (Skey, 2022)?
Bereits im Jahr 1936 wurden die Olympischen Sommer- sowie Winterspiele im nationalsozialistischen Deutschland durchgeführt oder die Fußballweltmeisterschaft 1978 während der Militärdiktatur in Argentinien abgehalten, um einige Beispiele von vielen zu benennen. Zurzeit rückt hierzu die Weltmeisterschaft in Katar in den Mittelpunkt. Da Katar wegen Ungleichheitsbehandlung zwischen Männer und Frauen, wegen des Verbots von Homosexualität sowie wegen des Umgangs mit Gastarbeitern besonders in Kritik steht, will Katar als Gastgeberland der Fußball-WM 2022 von diesen moralischen Verstößen ablenken und den Fokus auf den Sport legen. Dadurch erhofft sich Katar nicht nur mit Menschenrechtsverletzungen assoziiert zu werden, sondern mit dem Sport, der ein kosmopolitisches und modernes Image erzeugen soll (Fruh et al., 2022).
Zunächst muss aufgezeigt werden, wie Katar es überhaupt geschafft hat mit dem Fußball in Verbindung gebracht zu werden. Zum einen kaufte Katar den beliebten Fußballclub Paris Saint-Germain über die staatliche Investorengruppe “Qatar Sports Investments”. Zum anderen werden Vereine, wie FC Bayern und Boca Juniors, über die staatliche Fluggesellschaft Qatar Airways gesponsert. Aufgrund der klimatischen Bedingungen und der fehlenden Infrastruktur in dem Wüstenstaat bietet Katar ungünstige Bedingungen für die Austragung der WM. Daher wird dem Emirat vorgeworfen, dass sie im Jahr 2010 die Wahlstimmen von den FIFA-Exekutiven gekauft haben und diese Vorwürfe wurden bestärkt als Korruptions- und Wahlmanipulationsfälle der FIFA-MitgliederInnen durch die US-Bundesstaatsanwälte
aufgedeckt wurden (Millward, 2016). Dadurch konnte das Emirat trotz ungünstigen Bedingungen die Fußball WM 2022 für sich gewinnen. Diese Investitionen sind Katars Soft Power Strategie, die den Bekanntheitsgrad erhöht und Katar zu einem prominenteren Mitglied der internationalen Fußballgemeinschaft macht. Zudem nimmt Katar nicht nur mithilfe des Sportsmarktes an der Weltwirtschaft teil, sondern knüpft Wirtschaftsbeziehungen zu westlichen Ländern. Dadurch soll Katar als souveräner Staat angesehen werden und trotz der kritischen internen Angelegenheiten akzeptiert werden (Fruh et. al, 2022).
Mithilfe der Soft Power Strategie konnte Katar seine Infrastruktur verbessern, da aufgrund der Fußball WM acht neue Stadien und damit verbundene Straßen, Hotels und Transportwege gebaut wurden. Dadurch wird der Tourismus gefördert und dem Emirat werden neue Wirtschaftszweige eröffnet (Reiche, 2014). Hierbei richten wir den Blick auf die ArbeitsmigrantInnen seit der Auslosung an Katar. Laut der katarischen Regierung gab es 15.021 tote Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft zwischen 2010 und 2019, aber wie viele während oder nach der Arbeit gestorben sind ist nicht bekannt. Als häufigste Todesursache wurde Herzversagen oder unbekannte Todesursache angegeben, obwohl die meisten Todesopfer jung und gesund waren. Laut FIFA sind 40 MigrantInnen an WM Projekten gestorben. Diese Zahlen werden von der FIFA und Katar runtergespielt oder sie bringen diese nicht direkt mit dem Sportereignis in Verbindung. Jedoch sagt die hohe Todesrate an Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft viel über die Arbeitssicherheit, dem Desinteresse an einer vernünftigen Dokumentation und dem Umgang mit der Menschenwürde aus (Amnesty International, 2022). Katars Engagement an beliebten, sportlichen Ereignissen verharmlost diese Umstände und verdrängt die schlechte Behandlung der gesellschaftlich schwächeren Gruppen für ein globales Publikum und für neue wirtschaftliche Möglichkeiten (Fruh et. al, 2022).
Abschließend ist zu erwähnen, dass der Sport in der heutigen Zeit ein beliebtes Mittel ist, um ein Staatsbild zu verfälschen. Auch wenn Katar durch die WM an heftige Kritik stößt, wird sie wiederum von vielen Menschen weltweit gefeiert. Aufgrund der persönlichen Wichtigkeit und den wirtschaftlichen Vorteilen des Sports, verschließen viele Menschen ihre Augen vor den Zuständen. Dadurch verändert sich die Sichtweise der Zuschauenden und der Golfstaat wird zunehmend mit dem Sport anstatt mit den Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. Daher zeigt Sportswashing in dem Fall seine Wirkungen (Manoli, 2022).
Literaturverzeichnis
AMNESTY INTERNATIONAL. (2022, 21. November). Fussball-WM in Katar: Die Qual der Zahl. https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/katar-fussball-wm-arbeitsmigrant-innen-tote. Aufgerufen am 27.11.2022.
Fruh, K., Archer, A., & Wojtowicz, J. (2022). Sportswashing: Complicity and Corruption. Sport, Ethics and Philosophy.
Manoli, A. E. (2022, 21. November). World Cup 2022: Qatar is accused of ‘sportswashing’ but do the fans really care? The Conversation. https://theconversation.com/world-cup-2022-qatar-is-accused-of-sportswashing-but-do-the-fans-really-care-193485. Aufgerufen am 28.11.2022.
Millward, P. (2016). World Cup 2022 and Qatar’s construction projects: Relational power in networks and relational responsibilities to migrant workers. Current Sociology, 65(5), 756–776.
Reiche, D. (2014). Investing in sporting success as a domestic and foreign policy tool: the case of Qatar. International Journal of Sport Policy and Politics, 7(4), 489–504.
Skey, M. (2022). Sportswashing: Media headline or analytic concept? International Review for the Sociology of Sport.