Eröffnet wurde die Veranstaltung von Univ.-Prof. Dr. Steffen Zimmermann, welcher seinen Vortrag mit einer Darstellung der Digitalisierung und ihrer rasanten Entwicklung seit 1990 begann. Wichtigster disruptiver Trend des Jahre 2017 ist seiner Ansicht nach die Automatisierung der Finanzwirtschaft.
Was sind "FinTechs" eigentlich?
Als nächster Redner trat Prof. Dr. Helmut Rödl, Aufsichtsratsvorsitzender der Creditreform Rating AG und Honorarprofessor der Universität Innsbruck, auf. Dieser stellte in seiner Rede anhand von Wikipedia dar, wie digitale Angebote physische Produkte wie Lexika verdrängen. Anschließend präzisierte er den Begriff „FinTech“, welcher häufig als Schlagwort verwendet wird, aber inhaltlich nicht weiter konkretisiert wird. „FinTechs“ sind dabei Unternehmen, welche technologiebasierte Lösungen für Finanzdienstleistungen anbieten. Rödl stellte dabei auch klar, dass diese Definition nicht mit Start-Ups gleichzusetzen ist, sondern auch auf etablierte Unternehmen zutreffen kann. Der Fokus von „FinTechs“ liegt dabei auf Banken und Finanzdienstleister, wodurch sie sich zu den in der Versicherungswirtschaft beheimateten „InsurTechs“ abgrenzen. Ferner erörterte er, was „Disruptionen“ sind und stellte die Frage, ob „FinTechs“ für klassische Banken tatsächlich eine eminente Bedrohung darstellen oder eine Chance sind und ob sie tatsächlich einen Strukturbruch darstellen oder doch eher eine stetige Evolution, ganz im Sinne von Bill Gates, welchem das Zitat „Banking is necessary, banks not“ zugeschrieben wird.
Geschäftsmodell eines „FinTechs“
Martin Schmid, Chief Sales Officer der FinTecSystems GmbH, veranschaulichte in seinem Vortrag anhand seines Unternehmens ein konkretes „FinTech“ Geschäftsmodell. Die Idee des Start-Ups ist es, den Online-Kontozugang nicht nur für Überweisungen zu nutzen, sondern die darin gespeicherten Daten auch zur Verifikation von Informationen zu verwenden. Das Start-Up nutzt nach Einwilligung der Kunden Schnittstellen zu den IT-Systemen der Banken, um u.a. automatisch die Informationen zusammenzustellen, welche für Überprüfungen der Kreditwürdigkeit oder als Bonitätsnachweis bei Mietverträgen benötigt werden. Er verwies auch auf andere Start-Ups, welche ebenfalls die Schnittstellen zu den IT-Systemen der Banken verwenden, um Kontenwechsel für Verbraucher zu vereinfachen, indem sie z.B. Daueraufträge automatisch erkennen und beim neuen Anbieter einrichten.
Herausforderungen junger „FinTech“ Unternehmen
Als nächste Rednerin trat Marion Lanaro auf, welche Mitglied der Geschäftsführung der Creditreform Boniversum GmbH ist. In ihrem Vortrag befasste sie sich mit den Herausforderungen junger „FinTech“ Unternehmen. Dabei erläuterte sie zunächst, dass „FinTechs“ auf dem deutschen Markt trotz ihrer Nähe zum Endkunden häufig kaum bekannt sind, was daran liegt, dass sie sich häufig im Hintergrund bewegen und auf die Digitalisierung einzelner Glieder der Wertschöpfungskette konzentrieren. Insofern ergänzen sie etablierte Unternehmen eher, als dass sie sie verdrängen. Der Vorteil junger „FinTech“ Unternehmen liegt jedoch darin, dass sie sehr gut ausgebildete Mitarbeiter haben und äußerst agil sind, wodurch sie neue Produkte und Lösungen schneller auf den Markt bringen können, als etablierte Banken. Gleichzeitig ist es für viele „FinTechs“ aber eine Herausforderung, das notwendige Vertrauen der Verbraucher zu bekommen und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen und Vorschriften einzuhalten. Ferner führte sie aus, dass sich „FinTechs“ mit ihren Geschäftsmodellen häufig am Rand des Einflussbereichs von Regulierungs- und Aufsichtsbehörden bewegen. Fällt ein „FinTech“ Unternehmen unter deren Vorgaben, kann ein sein, dass Geschäftsmodelle häufig nicht mehr profitabel sind, da junge Unternehmen die Auflagen nicht mehr erfüllen können. Gleichzeitig kann die Regulierung aber auch ein Wettbewerbsvorteil für „FinTechs“ sein, wenn sie diese noch nicht erfüllen müssen. Als letzte Herausforderung nannte Lanaro dann, dass junge „FinTechs“ zwar über das technische Know-How verfügen, jedoch nicht über die notwendigen Daten. Am Beispiel einer Crowdfunding-Plattform und von zwei Banken zeigte sie, wie die Creditreform Boniversum GmbH als Berater und Anbieter von Bonitätsinformationen junge Unternehmen in ihrer Entwicklung unterstützen kann.
„FinTechs“ aus Sicht der Banken
Den letzten Vortrag des Nachmittags hielt Kay Wossidlo, Partner der Senacor Technologies AG, einer IT-Beratung mit dem Schwerpunkt Banken. In seinem Vortrag beleuchtete er „FinTechs“ aus Sicht der Banken. Zu Beginn ging er auf das schwierige Geschäftsumfeld ein, in dem sich Banken derzeit befinden. Zentrale Herausforderungen sind derzeit die Niedrigzinspolitik der Notenbanken, weitere Verschärfungen der Regulierung und die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Bankhäusern. In diesem schwierigen Umfeld stellen „FinTechs“ eine weitere Konkurrenz durch „Nicht-Banken“ dar. War es früher für Banken ausreichend, die Angebote anderer Banken zu beobachten, müssen sie heute auch „Nicht-Banken“ beobachten, um sich ändernden Kundenerwartungen zu stellen. So erwarten Verbraucher heutzutage, dass Dienstleistungen einfach, schnell, transparent, vergleichbar und von überall aus verfügbar sind.
Wossidlo unterteilte die Digitalisierung im Bankgeschäft in drei Phasen: Prozesse, Kerngeschäft und „Beyond banking“. Im Zuge der Digitalisierung wurden zunächst Prozesse in die IT-Landschaft der Bankhäuser implementiert. In der zweiten Phase wird nun das Kerngeschäft digitalisiert, so dass typische Angebote ortsunabhängig verfügbar sind. Die dritte Phase, „beyond banking“, beinhaltet die Erweiterung klassischer Angebote, um neue Ertragsquellen zu erschließen. So können Bankdaten z.B. für sogenannte „Tax-Butler“ genannt werden, welche anhand der Informationen, welche in Banksystemen gespeichert sind, vorausgefüllte Steuererklärungen erstellen. Diese Projekte sind allerdings meist noch nicht marktreif. Abschließend verglich Wossidlo „FinTech“ Start-Ups mit traditionellen Banken, um die Hürden von Banken bei der Digitalisierung darzustellen. So müssen neue Produkte in die bestehende, komplexe IT-Infrastruktur eingebettet werden, regulatorische Auflagen von Anfang an erfüllt werden und höhere, interne Qualitätsstandards eingehalten werden. Außerdem sind große Banken weniger agil, da dort mehr interne Widerstände auftreten, Entscheidungswege länger sind und sich Projekte in bestehende Planungszyklen einbetten müssen.
Bürgerrechte, Profitabilität und billiges Eigenkapital
In der abschließenden Podiumsdiskussion hatte das Publikum die Gelegenheit, den Referenten Fragen zu stellen. Einer kritischen Nachfrage nach der Entmündigung der Bürger - also ob „FinTechs“ bzw. die Digitalisierung zu Entscheidungen über Menschen führt, ohne dass diese Kontrolle über die Informationen haben – entgegneten die Referenten, dass die Kosumenten stets die Wahlfreiheit haben, entsprechende Angebote in Anspruch zu nehmen und Technologien menschliche Entscheidungsregeln automatisieren, nicht aber die Automatisierung selbst. Außerdem wurde die Frage gestellt, ob „FinTechs“ langfristig profitabel sein können. Die Referenten stellten hierzu fest, dass die Profitabilität vom konkreten „Use-Case“ abhängig ist und „FinTechs“ häufig eher darauf ausgerichtet sind, Umsätze mit den etablierten Unternehmen zu erwirtschaften, als mit den Endverbrauchern. Außerdem tragen sie dazu bei, dass Transaktionskosten gesenkt werden und die allgemein beobachtbare Tendenz zur Monopolisierung auch Auswirkungen auf den Finanzsektor haben wird. Die Vortragenden zeigten sich jedoch auch darüber einig, dass es derzeit sehr viele Anbieter auf dem Markt gibt und eine Konsolidierung absehbar ist.
Als Schlussfazit, ob „FinTechs“ nun eine disruptive Innovation oder einen digitalen Hype darstellen, vertrat Martin Schmid von FinTecSystems die Ansicht, dass nicht die „FinTechs“ die Disruptoren sind, sondern die Digitalisierung und schlug vor, den Titel der Veranstaltung in „disruptiver Hype und digitale Innovation“ zu reinterpretieren. Marion Lanaro von der Creditreform Boniversum resümierte, dass die Wahrheit in der Mitte des ursprünglichen Titels liegt und manche Innovationen notwendig sind und andere nur wenig Mehrwert bringen und sich langfristig nicht am Markt etablieren werden können. Dieser Meinung schloss sich auch Kay Wossidlo von Senacor an, welcher von einem „Innovationsstau“ sprach, der derzeit von vielen „FinTechs“ abgearbeitet wird, es aber gleichzeitig auch einen „Markt für FinTechs“ gibt, da viele potentielle Eigenkapitalgeber auf der Suche nach lukrativen Anlagemöglichkeiten sind.