Fotografie und Lichtbilder als Lehrmittel

Die Entwicklung der Disziplin Kunstgeschichte ist eng mit der Entwicklung der Fotografie und der Entstehung fotografischer Archive verknüpft. Dank der Fotografie konnte sich die Kunstgeschichte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den historischen Wissenschaften und der philosophischen Ästhetik lösen und sich als unabhängige Wissenschaft etablieren. Seitdem die Kunstgeschichte ab den 1860er Jahren als autonomes Fach an Universitäten gelehrt wird, wurden an akademischen Institutionen umfangreiche Fotosammlungen angelegt. Die Fotografien wurden nicht nur von darauf spezialisierten Fotograf:innen erworben. Auch die Herstellung eigener Fotografien wurde Teil der kunsthistorischen Lehre.

Die Kunstgeschichte war und ist in ihrer Geschichte und heutigen Form auf Bildressourcen, also visuelle Reproduktionen von Kunstwerken angewiesen, wodurch Fotoarchiven eine bedeutende Rolle zufiel. Mit ihren umfangreichen Bildsammlungen dienten sie dazu, die Beschaffenheit eines Werkes besser vermitteln zu können und auch längst vergessene oder zerstörte Kunstwerke in Form von Reproduktionen zu archivieren und zu konservieren, damit sie für die Nachwelt erhalten blieben. Dementsprechend handelte es sich bei Fotografien nicht nur um Reproduktionen, sondern vor allem um wichtige Stellvertreter von Kunstwerken. Zudem ist der Vergleich von unterschiedlichen Artefakten ein zentraler Aspekt kunsthistorischer Forschung, was das Wachstum von kunsthistorischen Bildsammlungen, die sich zu umfangreichen Fotoarchiven weiterentwickelten, besonders förderte. Denn je umfangreicher die Archivsammlungen sind, desto besser können Kunsthistoriker:innen die physische Veränderung eines Objektes nachvollziehen: Ob diese nun beschädigt, zerstört oder im Laufe der Zeit verändert wurden, kann gerade durch eine höhere Anzahl an Fotografien besser nachvollzogen werden. Auch kunsthistorische Methoden wie Stilvergleiche oder ikonografische Untersuchungen sind auf Vergleiche angewiesen, die durch fotografische Sammlungen ermöglicht wurden. Obwohl die Digitalisierung von historischen Fotografien heute besonders vorangetrieben wird, ist die Bereitstellung des analogen Materials unumgehbar für die kunsthistorische Forschung.

Einen bedeutenden Entwicklungsschub erlebte die Kunstgeschichte mit der Einführung der Lichtbildprojektion in die Lehre. Anfangs sollten alle Werke isoliert, möglichst groß und mit einem schwarzen Rahmen versehen abgebildet werden, da dies zu einer deutlichen Wirkungssteigerung führe. Architektur sollte darüber hinaus mit technischen Zusatzinformationen wie zum Beispiel der Angabe des Maßstabes ergänzt werden. Für Lichtbildreproduktionen von Gemälden und Skulpturen wurde dies jedoch zunächst abgelehnt, da solcher Art Eingriffe deren ästhetische Qualitäten beeinflussen würden. Von kolorierten Lichtbildern hielt man zunächst wenig. Sie wurden lediglich als triviale Unterhaltung betrachtet, genauso wie die Laterna Magica in erster Linie als populärer Zeitvertreib auf Jahrmärkten von Seiten des Faches auf Ablehnung stieß. Die von den großen fotografischen Verlagen wie die Brüder Alinari oder Braun erstellten Lichtbilder entsprachen allerdings nicht den wissenschaftlichen Ansprüchen, weshalb über die Gründung einer Vereinigung zur Herstellung von Glasbildern speziell für die Fachbedürfnisse nachgedacht wurde.

Mit der Etablierung des Skioptikons in der Lehre, einer Vorform des Diaprojektors, die mit dem Mikroskop in den Naturwissenschaften verglichen wurde, konnten nun Kunstwerke optisch vergrößert werden. Auch die gleichzeitige Projektion mehrerer Bilder mithilfe eines einzelnen Diarahmens war so möglich. Bei den ersten kunsthistorischen Diapositiven handelte es sich um Originalaufnahmen, die man unter anderem über sogenannte Messbildanstalten erwerben konnte. Dabei wurde auf ein einheitliches Format von 7×7 bzw. 10×10 cm geachtet sowie darauf, das Werk im originalen Kontext abzulichten. Wichtige kunstwissenschaftliche Methoden wie das ‚Vergleichende Sehen‘ wären ohne die Diaprojektion kaum denkbar gewesen.

Die ersten Glasdias am Institut für Kunstgeschichte in Innsbruck wurden 1888 angekauft. Anhand der Inventarbücher lässt sich jedoch ablesen, dass dieses Medium im 19. Jahrhundert noch keine große Rolle spielte. Die größten Diabestände der historischen Sammlung stammen aus den Jahren 1911 und 1914.

 

Fotografie (Albuminabzug auf Karton), Piazza Navona, Rom, Inv.-Nr. 5133, 25 x 32,5 cm

 

 

 

Fotografie (Albuminabzug auf Karton), Botticelli, La primavera; Inv.-Nr. 918, 25 x 32,5 cm

 

 

 

Laterna Magica, 1886/1900, © Bildarchiv Foto Marburg

 

 

 

Glasdia, Caravaggio, Narziss, 8,5 x 10 cm

 


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