Sexismus, Selbstbestimmtheit und Selbstwert – eine psychologische Untersuchung

Barbara Huber

Ziel meiner Diplomarbeit Sexismus, Selbstbestimmtheit und Selbstwert – eine psychologische Untersuchung war, neben einem theoretischen Aufzeigen der Mechanismen von Unterdrückung und Diskriminierung, anhand einer empirischen Untersuchung sexistische Überzeugungen unter Studentinnen und Studenten zu erfassen:

Mögliche Verbindungen aber auch Abgrenzungen zu anderen psychologischen Konstrukten wie den intrinsischen und extrinsischen Lebenszielen, dem Selbstwert und dem akademischen Selbstkonzept sollten aufgezeigt werden.

Meine Untersuchung konzipierte ich in Anlehnung an die Rassismusforschung entlang der Fragestellung, welche psychologischen Konstrukte mit sexistischen Einstellungen einhergehen:

die Theorien des benevolenten und hostilen Sexismus` (von Susan Fiske et al., 1996, in Übersetzung von Thomas Eckes et al., 1999) und die Selbstdeterminations-Theorie von Edward L. Deci und Richard Ryan sollten als Grundlage dienen.

Zentral war für mich die Darstellung der Auswirkungen (im Sinne von Zusammenhängen) von Selbstbestimmtheit, sprich der Entwurf von intrinsischen Lebenszielen, auf den sozialen Umgang und die Offenheit gegenüber Lebenskonzepten von Frauen.

In einem freien, selbstbestimmten Entscheidungsprozess, Lebensziele wahrzunehmen und deren Realisierung nachgehen zu können, stellt hierbei ein Ideal dar.

Dabei wollte ich nicht nur die Einstellungen von Frauen und Männern hinsichtlich „anderer“, „abstrakter“ Frauenfiguren darstellen. Die Untersuchung sollte ebenso ein Bild „der Frauen“ über „Frauen“ widerspiegeln.

Weiters sollten Zusammenhänge zwischen sexistischen Einstellungen und dem Selbstwert sowie den intrinsischen und extrinsischen Lebenszielen untersucht werden. Eine Prüfung galt unter anderem der Hypothese, ob eine Betonung extrinsischer Lebensziele mit erhöhten sexistischen Ansichten einhergeht.

Insgesamt betrachtet, sollte die Beschäftigung mit Sexismus eine Sensibilisierung für gesellschaftliche Verhältnisse mit sich bringen. Die Aufmerksamkeit sollte auch auf Probleme, die durch eine subtile Form von Diskriminierung entstehen, gelenkt werden (siehe benevolenter Sexismus).

In einer vorangehenden theoretischen Auseinandersetzung mit existierenden unterschiedlichen Lebenslagen von Frauen und Männern (Verteilung von Bildung, Ungleichheiten in der Arbeitswelt, im Einkommen und Lebensunterhalt, in der politischen Entscheidungsmacht und in der Familie) anhand der Daten von Statistik Austria wurde abermals deutlich, dass die existierenden Lebensläufe stets von einer Arbeitsteilung zwischen „Frau und Mann“ geprägt sind: im Schnitt leisten Frauen noch immer deutlich mehr in unbezahlten Tätigkeiten wie Hausarbeit oder Kinderbetreuung, Männer fokussieren ihr Engagement in bezahlte, anerkannte, von der Gesellschaft sichtbare Beschäftigungen, obwohl die Zahlen bezüglich Bildungsstand das Bild einer egalitären Aufteilung dieser Arbeiten zulassen würde.

Zu Beginn meiner quantitativen Studie wurde der „online-Fragebogen“ von 419 Studentinnen und 298 Studenten aus mehreren österreichischen Universitäts-Standorten ausgefüllt. Dieser beinhaltete unter anderem die Skala zur Erfassung des ambivalenten Sexismus (Übersetzung von Thomas Eckes et al.,1999; Original von Susan T. Fiske et al., 1996), die Skala des modernen Sexismus (Thomas Eckes et al., 1998), den Aspirations-Index (deutsche Übersetzung von Klusmann et al., 2005, aktuellste Original-Version von Deci et al., 1997) sowie die Sozial-Autonome-Selbstwertskala von Pöhlmann 2000.

Nach faktorenanalytischer Kontrolle der verwendeten Instrumente (einige Items wurden aufgrund testtheoretischer Berechnungen in weiteren Analysen nicht berücksichtigt) sowie Reliabilitätsanalysen wurden Unterschiede in der Bewertung sexistischer Aussagen zwischen Frauen und Männern, den gebildeten Altersgruppen, den Studienfächern sowie anhand des Familienstands der Befragten dargestellt. Anschließend ging ich auf Korrelationen zwischen den Konstrukten ein.

Hinsichtlich sämtlicher Formen des Sexismus` können, wie erwartet, signifikant geringere Ablehnungen durch männliche Studenten aufgezeigt werden. Jedoch lehnen auch Frauen die untersuchten Formen des Sexismus` nicht zur Gänze ab: besonders der benevolente Sexismus, „schmeichelnde Aussagen“ gegenüber Frauen, wird von Studentinnen wenig abgelehnt.

Aus den Altersvergleichen geht hervor, dass die jüngsten Frauen („bis 23 Jahre“) signifikant geringer benevolent, hostil und modern sexistische Aussagen ablehnen als die Ältesten („27 Jahre und älter“). (Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen der Männer sind nicht signifikant, jedoch in jedem Fall höher als die Werte der Altersgruppen der Frauen.)

Vergleiche zwischen den Studienrichtungen unter den Frauen zeigen unter anderem, dass Studentinnen technischer Fachrichtungen die Berufstätigkeit von Frauen signifikant weniger egalitär sehen als jene der Humanwissenschaften. Unter den Männern lehnen Studenten der Technik und Naturwissenschaften modern sexistische Überzeugungen signifikant weniger ab als jene der Humanwissenschaften. Zwischen technischen und humanwissenschaftlichen Studenten ist dieser Unterschied auch hinsichtlich des hostilen Sexismus` signifikant.

Intrinsische Lebensziele, wie persönliches Wachstum und Gesellschaft, korrelieren signifikant negativ mit den Formen des hostilen und modernen Sexismus`. Diese Ergebnisse spiegeln die Wichtigkeit von Selbstbestimmtheit in Bezug auf das gesellschaftliche, egalitäre Zusammenleben wider: Menschen, die fähig sind, ihren eigenen Bedürfnissen und Interessen nachzugehen, können diese Freiheit auch anderen (Frauen) zugestehen.

Ein weiteres Ergebnis zeigt, dass Studierende, welche die Wichtigkeit extrinsischer Lebensziele wie Wohlstand, Ruhm und Attraktivität betonen, eine signifikant geringere Ablehnung des hostilen und modernen Sexismus` zeigen: im Streben nach extrinsischen Zielen werden andere (Frauen) als mögliche Konkurrenz betrachtet und daher „Strategien“ wie Dominanzstreben eher angewendet.

Der interdependente Selbstwert korreliert erwartungsgemäß signifikant negativ mit sexistischen Überzeugungen (hostil und modern): das Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit und die Betonung von Gemeinsamkeiten steht im Widerspruch zu Diskriminierung und Unterdrückung.

Insgesamt betrachtet zeigt diese Untersuchung, dass Frauen nicht nur an ihrem eigenen Unsichtbarmachen mitwirken, wie Frye (2005) dies beschrieben hat, sondern, dass sie im System der Stereotypisierung und der damit verbundenen Diskriminierung aktiv beteiligt sind. Ebenso deuten die Ergebnisse innerhalb des modernen Sexismus` auf eine Leugnung von Diskriminierung und eine Verlangsamung des Aufbrechens veralteter Strukturen.

Der Zusammenhang von intrinsischen Lebenszielen und dem Ablehnen von Sexismus zeigt jedoch eine Möglichkeit eines „selbst-bestimmten“ Weges abseits von Rollenzuschreibungen und vorgefertigten Lebensentwürfen für Frauen.

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