Das IFFI zeigt Filme aus Regionen und zu Themen, die in globalen Kinonetzwerken unterrepräsentiert sind. Sechs Tage lang feiert das IFFI den Film als globales Phänomen in all seinen Facetten. Neben spannenden, aktuellen Filmen in den Wettbewerben, gibt es filmhistorische Schätze in den Retrospektiven zu sehen.
ENTER THE CONTACT ZONE ist eine Aufforderung, in die filmische Vielfalt des IFFI #33 einzutauchen und das Filmfestival als sozialen Raum der Begegnung, des kreativen Austauschs und des Dialogs zur Schaffung neuer transnationaler Allianzen zu begreifen. ENTER THE CONTACT ZONE steht für eine Reflexion über die gegenwärtige Festivalpraxis in globalen Filmnetzwerken sowie für die Möglichkeit des gemeinsamen Auslotens von neuen Perspektiven.
Das "Filmfestival" steht auch im Zentrum der diesjährigen Retrospektive, die sich dem legendären Taschkent-Filmfestival widmet. Als erstes internationales Festival stellte es das Filmschaffen abseits Europas und Hollywoods in den Vordergrund und zeigte zwischen 1968 und 1988 explizit Filme aus Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Gemeinsam mit der Festivalleiterin Valeriya Kim (Taschkent) wurde eine filmhistorische Reihe gestaltet, die Bezug auf die Vielfalt der Themen, Regionen und Genres des non-western cinema nimmt und versucht, das Geflecht aus dahinterstehenden politischen, kulturellen und künstlerischen Motiven und Interessen zu thematisieren.
Kooperation mit dem Osteuropazentrum: Retrospektive zum Taschkent-Filmfestival
DI 28.05.2024
12.00 Uhr
Seminarraum 4O406 (Slawistik, Geiwi-Turm, 4. Stock, Innrain 52d)
Kurator:innengespräch mit Valeriya Kim (Taschkent) & Anna Ladinig (Innsbruck)
Zum Auftakt des IFFI verraten die beiden Kuratorinnen der Retrospektive zum Taschkent-Filmfestival, Valeriya Kim und die Festivalleiterin Anna Ladinig, wie Festivalprogramme entstehen, wie die Filmauswahl zustande kommt und was dabei für Schwierigkeiten überwunden werden müssen.
Moderation: Eva Binder
im Rahmen des IFFI und der LV 612013 VU2 "Ausgewählte Bereiche des Films"
DI 28.05.2024
17.25 Uhr
Leokino 2
TASHKENT 58-88
Zumrad Mirzalieva – 2024, o. A.
russische OmenglU
Bereits 1958 fand in der usbekischen Hauptstadt ein afro-asiatisches Filmfestival und eine Schriftsteller:innenkonferenz statt und machte Taschkent so zum Zentrum für Süd-Süd-Beziehungen. Ausgehend vom Slogan des Festivals – "Für Frieden, sozialen Fortschritt und die Freiheit der Völker" – wird die Ideologie der "Völkerfreundschaft" zu einem Eckpfeiler der sowjetischen Rhetorik. Zumrad Mirzalieva montiert Aufnahmen von Wochenschauen über das Festival, um einen kritischen Blick auf die versprochene Völkerfreundschaft zu werfen, und stößt auf strenge Hierarchien.
NEŽNOST’ (TENDERNESS)
Ėl’er Išmuchamedov – 1966, UdSSR
russische OmenglU
Die drei Novellen über die erste Liebe und Enttäuschung spielen im Taschkent der 1960er Jahre. Sandžar verliebt sich in Lena. Sie ist traumatisiert von ihrer Evakuierung aus dem belagerten Leningrad und findet ihr Glück mit Timur, bis die beiden für immer getrennt werden. Die Schülerin Mamura tröstet Timur, in den sie selbst verliebt ist. Die Dreharbeiten mussten aufgrund des schweren Erdbebens 1966 unterbrochen werden. Viele Drehorte waren zerstört, die Ausgangssperre erschwerte die Arbeit zusätzlich. Das ursprüngliche Konzept wurde verworfen, viel improvisiert und mit versteckter Kamera gearbeitet.
SA 01.06.2024
21.20 Uhr
Leokino 2
KURZFILME 1
A.KIM
Yulia Khvan – 2023, Usbekistan
russische OmenglU
A.Kim ist ein koryo saram – so nennen sich ethnische Koreaner:innen in den postsowjetischen Staaten selbst – und lebt in Taschkent. Es scheint alles in Ordnung zu sein: Er ist bescheiden, zurückhaltend und erledigt seine Aufgaben mit Bravour. Die meisten würden A.Kim als guten Bürger beschreiben. Eines Tages schenkt ihm ein Freund ein unerwartetes Souvenir. Es verändert das Unausgesprochene, unter anderem seine Sichtweise auf sich selbst. Das Leben, das ihn umgibt, bekommt eine neue Bedeutung.
SHAMOL BIZNI UCHIRSIN (THE WIND THAT CARRIES US)
Fayyoz Buzruk – 2021, Usbekistan
usbekische OmenglU
Fayyoz Buzruk stammt aus Usbekistan, einige seiner engen Verwandten leben in der nah an der Grenze gelegenen kirgisischen Stadt Osch. Er hat sie nie getroffen. Von Osch konnte man in westlichen Zeitungen hin und wieder aufgrund immer wieder aufflammender Konflikte zwischen den kirgisischen und usbekischen Bevölkerungsgruppen lesen. Als er erstmals seine dort ansässigen Familienmitglieder trifft und die Straßen der Stadt betritt, spürt er sofort eine unmittelbare Verbindung. Den Gründen für das späte Treffen geht er mit nüchternen Bildern auf die Spur.
ČERNYJ VAGON (BLACK WAGON)
Adilet Karzhoev – 2021, Kirgisistan
kirgisische OmenglU
Spärlich ist das Licht in den Tiefen einer Kohlemine 500 Meter unter dem Boden. Die kirgisischen Kumpel müssen hier ihr tägliches Planziel erfüllen. Aber es wird immer schwieriger, Kohle in den sicheren Zonen zu finden. Mit jedem Hieb mit der Spitzhacke nimmt die Gefahr zu. Der Vorarbeiter muss genau abwägen, wie weit gegangen werden darf und welches Risiko eingegangen werden soll.
LUČŠEE MESTO NA ZEMLE (LVNZ / BEST PLACE ON THE EARTH)
Roman Buryak – 2018, Tadschikistan
russische OmenglU
Im Mittelpunkt des Films steht die so genannte verlorene Generation Tadschikistans: jene, die während des Bürgerkriegs, der von der Unabhängigkeit bis 1997 anhielt, geboren wurden. Junge Menschen, für die Tadschikistan auf dem Papier die Heimat ist, haben Schwierigkeiten, sich mit dieser "Heimat" zu identifizieren. Einige halten bis zuletzt daran fest, andere wiederum beschließen, loszulassen und das Land zu verlassen – in der Hoffnung, die innere Leere fernab ihres Geburtsortes zu füllen.
TOVARIŠČ POLICEJSKIJ (COMRADE POLICEMAN)
Assel Aushakimova – 2020, Kasachstan
russische OmenglU
Die kasachische Polizei hat ein Problem mit ihrem Image. Eine Kampagne soll das verbessern: Bereits seit über sechs Jahren soll die Möglichkeit, an Straßenständchen der Polizei offene Fragen zu stellen, das Gefühl von Offenheit und Transparenz fördern. Eine Journalistin des kasachischen Staatsfernsehens wird beauftragt, über diese Maßnahme einen Bericht zu gestalten, und muss so einiges tun, um diesen zusammenzubasteln. In einem einzigen Take gelingt Regisseurin Assel Aushakimova ein unterhaltsames Stück Gesellschaftskritik.
ERTAK (FAIRY TALE)
Kamila Rustambekova – 2023, Usbekistan
usbekische OmenglU
Ein junger schwuler Mann lebt mit seiner Mutter in einem usbekischen Dorf. Die Nachbarn tratschen, die Mutter schämt sich und meidet die Öffentlichkeit. Ihren Sohn stellt das vor eine schwierige Entscheidung: Nur wenn er seine Mutter allein zurücklässt und das Land verlässt, kann er Freiheit und Sicherheit erlangen. Mit großem Einfühlungsvermögen erzählt Kamila Rustambekova von der Liebe zweier junger Männer, aber auch von Verlust, Homophobie und der damit einhergehenden Brutalität.
SO 02.06.2024
17.05 Uhr
Cinematograph
KURZFILME 2
CHILLPIQ
Saodat Ismailova – 2018, Usbekistan
ohne Dialog
Vierzig Frauen reisen zum Berg Chillpiq in Karakalpakstan, einer autonomen Republik im Nordosten Usbekistans, um um eine Dahna, einen Friedhof, herumzugehen. Gemeinsam erinnern sie an die Figuren eines weit verbreiteten Mythos, QYRQ QYZ, der die Errichtung der Stätte auf die letzte Schlacht der vierzig Amazonen gegen die Perser zurückführt. Im Film wird jedoch ein verlassener Fahnenmast aus Metall, ein Überbleibsel aus der Sowjetzeit, zu einem Ort der Erinnerung. CHILLPIQ lässt die Grenzen zwischen Mythologie und Gegenwart verschwimmen.
sowie vier weitere Kurzfilme:
THE INTERNATIONALE
AEQUARE. THE FUTURE THAT NEVER WAS
EL POLVO YA NO NUBLA NUESTROS OJOS (AFTER THE DUST)
SOLIDARIEDADE (SOLIDARITY)
Weitere Filmtipps mit Osteuropa-Bezug
MI 29.05.2024
20.50 Uhr
Leokino 1
FR 31.05.2024
16.50 Uhr
Cinematograph
LA PALISIADA
Philip Sotnychenko – 2023, Ukraine
ukrainisch-russisch-aserbaidschanische OmenglU
Zweimal wird aus einer Pistole gefeuert. Einmal 1996, einmal gut 25 Jahre später. Nach dem Prolog in der Gegenwart taucht dieser ungewöhnliche Gesellschaftskrimi in eine Mordermittlung in der frisch unabhängigen Ukraine ab, einer turbulenten Zeit des Umbruchs. Philip Sotnychenko fand Inspiration in VHS-Archivmaterial der Polizei. Dessen Videoästhetik nimmt er auf, um sie immer wieder geschickt zu brechen. Mit LA PALISIADA erzählt er einerseits ein Bilderrätsel, andererseits davon, wie Gewalt an die nächste Generation weitergegeben wird.
DO 30.05.2024
19.10 Uhr
Cinematograph
FR 31.05.2024
17.30 Uhr
Leokino 2
INTERCEPTED
Oksana Karpovych – 2024, Kanada/Ukraine/Frankreich
russisch-ukrainische OmenglU
2022 schnitt der ukrainische Geheimdienst zahlreiche Telefonate von russischen Soldaten mit ihren Angehörigen mit. Oksana Karpovych legt einige dieser Gespräche als Tonspur über alltägliche Szenen des vom Angriffskrieg gezeichneten Landes. Zu sehen sind Zerstörung und Verwüstung, mittendrin Menschen, die weiterleben wollen. Zu hören: Geständnisse von Kriegsverbrechen, Beschreibungen des eigenen psychischen Niedergangs oder Aufklärung über die Lügen der Staatsmedien. INTERCEPTED ist ein wichtiges politisches Kunstwerk und, es muss gesagt werden, eines mit sehr belastenden Inhalten.
FR 31.05.2024
19.00 Uhr
Leokino 1
SA 01.06.2024
17.40 Uhr
Leokino 2
78 DANA (78 DAYS)
Emilija Gašić – 2024, Serbien
serbische OmenglU
Keine Schule, Flugzeuglärm, Luftalarm, abwesende Väter, aber auch erste Liebe, Freundschaft und Zusammenhalt erleben und filmen drei Schwestern mit einem Camcorder. In eindringlicher Homevideo-Ästhetik erzählt 78 DAYS, ohne Gewalt und Zerstörung explizit abzubilden, vom Leben während der NATO-Bombardierungen Serbiens im Frühling 1999. Von Menschen, die versuchen, sich in Kriegszeit Alltäglichkeit zu bewahren, vor allem von einem Mädchen, einer Teenagerin und einer jungen Frau, die währenddessen ein Stück älter werden. Ihnen dabei zuzusehen ist äußerst berührend, kurzweilig und amüsant.
SA 01.06.2024
17.20 Uhr
Cinematograph
ŠUTNJA RAZUMA (SILENCE OF REASON)
Kumjana Novakova – 2023, Nordmazedonnien/Bosnien und Herzegowina
bosnisch-englische OmenglU
Kumjana Novakova erstellt aus visuellen Archiven und Aussagen ein wichtiges, nicht leicht zu ertragendes kollektives Gedächtnis: Während des Krieges in Bosnien und Herzegowina wurden in Foča Frauen systematisch gefangen genommen und vergewaltigt. Das Unsagbare wird mit flirrenden Videokamerabildern und nüchternen Fotografien genau verortet, darüber anonymisierte Stimmen und Texteinblendungen von Aussagen von Überlebenden vor dem UN-Tribunal 2000. Dort wurde mit dem Fall Foča erstmals Vergewaltigung als Form der Folter und sexueller Versklavung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.
Weitere Informationen
Programm (u.a. nach Kategorien sortierbar)
Programmübersicht
Programmheft
Plakat Kurator:innengespräch