Hintergrund
Profilbildung an der Universität Innsbruck
Mit dem Universitätgesetz 2002 wurden die Spielregeln für die heimischen Universitäten neu definiert. Sie stehen nunmehr im nationalen und internationalen Wettbewerb, in dem es gilt, sich durch die Bildung von Forschungsschwerpunkten und durch die Akzentuierung des Studien- und Forschungsangebots zu behaupten. Forschungszentren, Forschungsplattformen und Forschungsschwerpunkte geben der Universität nach Innen und Außen ein strategisches Profil, sie erlauben eine gezielte Förderung von Exzellenz und sind die Voraussetzung für die erfolgreiche Akquirierung von Drittmitteln.
Mit der Gründung der interfakultären Forschungsplattform Weltordnung – Religion – Gewalt hat die Universität Innsbruck ein human- und sozialwissenschaftliches Kompetenzzentrum für die hochaktuellen Frage nach der Rolle von Religion in Politik und Gesellschaft geschaffen.
Geschichte der Forschungsplattform Weltordnung – Religion – Gewalt
Die Idee für eine interfakultäre Forschungszusammenarbeit zum Thema Weltordnung, Religion und Gewalt wurde 2002 vom Innsbrucker Universitätsprofessor und Theologen Raymund Schwager vorgebracht. Unter dem Eindruck der Terroranschläge des 11. September 2001 und der damit einhergehenden problematischen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen stellte er sich und seinen Kollegen und Kolleginnen an den Instituten der Universität Innsbruck die Frage, wie die Wissenschaft auf die Herausforderung von religiösem Fundamentalismus und Gewalt reagieren könne. Diese Frage und das bekundete Interesse an ihrer Bearbeitung seitens einer Reihe von Vertretern der Theologie, Geschichte, Literaturwissenschaft, Philosophie, Politologie, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wurde zum Ausgangspunkt für eine rege Forschungszusammenarbeit, die 2007 letztlich zur Institutionalisierung der Forschungsplattform Weltordnung – Religion – Gewalt geführt hat.
Ungeachtet dieses unmittelbar politischen Anstoßes für eine interdisziplinäre Schwerpunktbildung im Bereich Weltordnung, Religion und Gewalt an der Universität Innsbruck konnten die ForscherInnen auf ein solides Fundament an Friedens- und Konfliktforschung aufbauen. Dieses Fundament bestand aus der jahrzehntelangen regen Zusammenarbeit zwischen Innsbrucker Theologen und dem französischen Historiker und Philosophen René Girard. Girard’s Thesen zu gesellschaftlich und theologisch zentralen Themen wie Konflikt, Gewalt, Riten, Opfer, Sakralität, Ausstoßung, Autorität, Versöhnung, Friede, Offenlegung und Offenbarung wurden an der Katholisch-Theologischen Fakultät Innsbruck rezipiert und fanden im fakultären Forschungsschwerpunkt Religion - Gewalt - Kommunikation - Weltordnung (kurz RGKW) ihren Niederschlag. Mit dem Cluster Anthropologie und Gewalt wird Girards theoretischer Ansatz in die Forschungsplattform eingebracht und ist Ausdruck einer international anerkannten Kompetenz in Fragen der Religion und Gewalt.
Religion ist seit Beginn des 21. Jahrhunderts, unter dem Eindruck religiöser Fundamentalismen und klarer Tendenzen zur Desäkularisierung in modernen Gesellschaften, zu einem allgegenwärtigen Thema für die Geistes- und Sozialwissenschaften geworden. Während über einen langen Zeitraum das Thema Religion an den Theologischen Fakultäten gut aufgehoben schien, steht Religion nunmehr im Zentrum der Aufmerksamkeit auch anderer wissenschaftlicher Zweige. Die Forschungsplattform sieht ihr Selbstverständnis in einer Verknüpfung fundierter Kompetenzen und neuer Fragestellungen, die wichtige Erkenntnisse und ein erweitertes Problembewusstsein in Sachen Weltordnung, Religion und Gewalt verspricht.
Die Forschungsplattform integriert und koordiniert auf universitärer Ebene entsprechende Forschungsarbeiten verschiedener Forschungsschwerpunkte, Forschergruppen und EinzelforscherInnen. Methodisch erfolgt das durch räumlich und zeitlich abgrenzbare Fallstudien, die historisch und aktuell relevante Erfahrungen für den Forschungsbereich erschließen sollen, sowie durch vergleichende Begriffsgeschichte und normative politische Theorie. Grundsätzlich wird der leitenden Fragestellung in konsequenter interdisziplinärer Arbeit und fortlaufenden Argumentation zwischen unterschiedlichen Theorieansätzen und konfliktiven Thesen nachgegangen. Organisatorisch arbeitet die Forschungsplattform vorrangig im Rahmen fakultätsübergreifender thematischer Cluster, die sich in regelmäßigen gemeinsamen Klausuren austauschen und im Zuge von öffentlich zugänglichen Workshops und Fachtagungen ihre Forschungsergebnisse präsentieren. Die Forschungsplattform koordiniert auf universitärer Ebene entsprechende Forschungsarbeiten verschiedener Forschungsschwerpunkte, Forschergruppen und EinzelforscherInnen. Zudem ist sie Träger der Raymund Schwager - Innsbrucker religionspolitologischen Vorlesungen.