Exkursion in die Schweiz, 23.–25. Mai 2024
13 Studierende entdecken gem. mit A. Findl-Ludescher und M. Quast-Neulinger Impulse für eine geschlechtergerechte Kirche
Inspirationen für eine geschlechtergerechte Kirche
Vom 23. bis zum 25. Mai wagten 13 Teilnehmer:nnen und zwei Lehrveranstaltungsleiterinnen im Rahmen der Exkursion „Nicht ohne Frauen beraten und entscheiden“ eine Entdeckungsreise in die Schweiz. Dort sollten Pionierprojekte und Personen, die Wege zu einer gemeinschaftlichen Leitungsform von Kirche suchen, besucht werden, um darüber in Austausch zu kommen.
Die Gruppe machte an vier verschiedenen Orten Halt. Die erste Station bildete die Begegnung mit Veronika Jehle und Hella Sodies in der Pfarre Greifensee. Frau Sodies leitet mit ihrem Mann die Pfarre und Frau Jehle wirkt als Journalistin. Beide Frauen sind in leitender Verantwortung in der Kirche tätig und teilten mit der Gruppe ihre Erfahrungen, Enttäuschungen und Hoffnungen. Besonders beeindruckend war dabei ein fast gespaltenes Holzscheit auf dem Altar der schlichten Gemeindekirche. Es wurde dort im Anschluss an die Dokumentation „Gottes misshandelte Töchter“ platziert, in der der Missbrauch in der katholischen Kirche behandelt wird. Das Holzscheit steht dabei für all das, was in der Kirche quer liegt, was gespalten oder zersplittert ist, was weh tut und woran man nicht vorbeisehen kann und soll.
Die zweite Station der Exkursion bildete der Besuch im Benediktinerinnenkloster Fahr in der Nähe von Zürich. Dort nahm die Gruppe beim wöchentlichen, sehr gut besuchten, Donnerstagsgebet teil. Seit 2019 Jahr bitten und danken die Fahrer Ordensschwestern nun bereits jeden Donnerstag aufs Neue – öffentlich und unter Anrufung der Geisteskraft – für ihr Herzensanliegen: Eine Kirche mit den Frauen, ohne geschlechterbezogene Diskriminierung. Am Folgetag fand ein Gespräch mit der Priorin der Gemeinschaft, Irene Gassmann, statt. Darin erläuterte sie den Ansatz der Gemeinschaft, wie sie versuchen, in der traditionellen Form des klösterlichen Lebens, von Spiritualität durchdrungene Akzente für eine geschlechtergerechte Kirche zu setzen.
Nach dem Besuch im beschaulichen Kloster Fahr, machte sich die Gruppe auf den Weg nach St. Gallen, wo ein Gespräch mit Ingrid Krucker am Plan stand. Frau Krucker hat eines der höchsten Ämter in der Hierarchie einer Ortskirche inne, das Regensamt. Damit ist sie für die Ausbildung der kirchlichen Mitarbeiter:innen in der Diözese St. Gallen zuständig. Sie ist im deutschsprachigen Raum die erste Frau, die dieses Amt ausübt. Sie sprach dabei offen von Vorurteilen, mit denen sie als Frau in einem solchen Amt anfangs zu kämpfen hatte, aber auch von den Gestaltungsmöglichkeiten. Allein durch das Ausüben des Amtes der Regentin hinterfragt und definiert Frau Krucker kirchliche Geschlechtsstereotypen. Dabei wirkt sie an einem Kulturwandel mit, der auf Basis von Dialog und Verständigung eine Mitarbeit von Gleichberechtigten in der Seelsorge mehr und mehr ermöglichen solle.
Zuletzt besuchte die Gruppe ein besonderes Projekt, das sich mit der heiligen Wiborada befasst. Wiborada lebte im 10.Jahrhundert als Inklusin; also freiwillig allein und in Zurückgezogenheit in einem Raum (einer sogenannten Zelle), angebaut an einer Kirche. Sie war für ihre Weisheit geschätzt und ihre Zelle wurde oft für Ratschläge aufgesucht. Sie wurde als erste Frau offiziell von der Kirche heiliggesprochen. Unter der Leitung von Hildegard Aepli gibt es nun ein Projekt, die Spiritualität der heiligen Wiborada neu zu beleben. So wurde bei St. Mangen in St. Gallen wieder eine moderne Wiborada-Zelle gebaut. Dort können sich Freiwillige für eine Woche einschließen lassen, um wie Wiborada in Abgeschiedenheit zu leben und in Weisheit zu wachsen. Die Gruppe hatte das besondere Glück, den Wechsel zweier Inklus:innen mitzuerleben. Diese letzte Station hat sich gut in den Gesamtrahmen der Exkursion eingefügt, denn wie Wiborada aufgrund ihrer lebendigen spirituellen Praxis als Frau in der Gesellschaft wirken konnte, muss auch ein Kulturwandel in der Kirche von heute in einer spirituellen Praxis verwurzelt sein.
Die Teilnehmer:innen der Exkursion konnten viele Impulse aus den Begegnungen mitnehmen. Die besuchten Projekte ermöglichten dabei einen realistischen Blick auf die Spielräume, die es im kirchlichen Leben in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit jetzt schon gibt, und inspirierten zur eigenen Reflexion und dem Ausloten der Spielräume in der österreichischen Kirche.