Monte Iato Pots - Experimental Study on Organic Residue Analysis

 


 Titelbild23-228

 

Preliminary report  

 

Principal Investigator:

MMag. Dr. Birgit Öhlinger

Address:

ATRIUM - Zentrum für Alte Kulturen - Langer Weg 11

University/Research Institution:

Institut für Archäologien
Fachbereich Klassische und Provinzialrömische Archäologie
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

funded by Nachwuchsförderung der Universität Innsbruck 

Project Assistant:

Julia Haas

Project collaborations:

Prof. Erich Kistler (University of Innsbruck)

Prof. Christoph Reusser and Dr. Martin Mohr (University of Zurich)

Mag. Dr. Ulrike Töchterle (restoration laboratory, University of Innsbruck)

Dr. Florinda Notarstefano (Dipartimento di Beni Culturali, Università del Salento)

Prof. Oliver Craig (BioArCh, Department of Archaeology, University of York)


 

 


 

Absence of evidence is not evidence of absence“. Dieser Sachverhalt spiegelt sich besonders im archäologischen Befund wider. Unterschiedliche taphonomische Prozesse führen dazu, dass immer nur ein Bruchteil der einstigen Lebenswelt der antiken Bewohner im Boden zurückbleibt. Organische Stoffe sind den Verfallsprozessen naturgemäß in besonderem Maß ausgesetzt. Dieser Problematik hat sich die Inhaltsanalytik antiker Keramikgefäße in den letzten Jahrzehnten gestellt und ermöglicht das vermeintlich Unsichtbare sichtbar zu machen. Bereits vor 150 Jahren gab es erste Versuche, Keramik anhand chemischer Analysen auf ihre Inhaltsstoffe zu untersuchen[i]. Der französische Chemiker, Marcellin Berthelot, untersuche erstmals Lipide an zwei gallorömischen Gefäßen und fand die Fette Palmitinsäure (C16:0), Stearinsäure (C18:0) und Ölsäure (C18:1 Δ9)[ii]. Neben Berthelot versuchten auch weitere Wissenschaftler wie Sir L.  Wolley, J. Hackford und R. J. Forbes, bereits in den frühen 1930er bis 1960er Jahren Inhaltsstoffe an Keramik von Ur zu extrahieren[iii]. Doch erst ab den 1970er Jahren gewann die ORA (Organic Residue Analysis) durch die Entwicklung neuer analytisch-chemischer Methoden an Bedeutung[iv]. Wegweisend war dabei die Arbeit von Thronton et al. von 1970 auf die in den nächsten 25 Jahren weitere aufbauten und den Grundstein der heutigen ORA legten[v].

Mittels unterschiedlicher chemischer Analyseverfahren können heute antike Gefäßinhalte, die sich in den keramischen Wänden eingelagert haben, entschlüsselt werden. Durch diese Verfahren werden spezifische chemische Fingerabdrücke – sogenannte Biomarker – sichtbar gemacht, die Rückschlüsse auf unterschiedliche Stoffe geben. So ist es möglich den chemischen Fingerabdruck von Gemüse, Bienenwachs, Wein und Meerestieren mittels GC-MS (Gaschromatographie und Massenspektrometrie)[vi] und LCMS (Liquid Chromatography with mass spectrometric detection)[vii], von Ölen über LC (Liquid Chromatography)[viii], von tierischen Fetten durch GC-MS und GC-c-IRMS (GC-combustion-isotope ratio mass spectrometry)[ix] sowie Harze über IR (Infrarotspektroskopie), TLC (thin layer chromatography)[x] und GC-MS zu detektieren. Durch die hydrophobe Natur von Lipiden können diese bislang am besten nachgewiesen werden und lassen sich noch nach Jahrtausenden nachweisen.

Im Sinne einer Tatortarchäologie, die es sich zum Ziel gesetzt hat menschliches Handeln und Verhalten vergangener Zeiten bestmöglich zu rekonstruieren und zu verstehen, eröffnen organische Inhaltsanalysen neue Möglichkeiten. Entsprechend diesem Anspruch wurden Keramiken aus der indigenen Siedlung am Monte Iato im Rahmen der FWF-Projekte „Zwischen Aphrodite-Tempel und spätarchaischem Haus I-II“ und dem TWF-Projekt „Neuer Wein in alten Schläuchen oder doch alter Wein in neuen Schläuchen?“ (siehe links) inhaltsanalytisch untersucht – mit teils überraschenden Messungen: So lieferten die Untersuchungen eines mattgemalten Kraters (K 10769) scheinbar widersprüchliche Ergebnisse. Bei dem Stück handelt es sich um ein lokal hergestelltes Gefäß, dass die griechische Form eines Weinmischgefäßes aufnahm, aber im traditionellen indigenen Dekor bemalt wurde. Es ist also ein hybrides Gefäß, das unterschiedliche kulturelle Konventionen aufnimmt und somit Informationen zu transkulturellen Austauschprozessen liefert. Umso spannender sind die Ergebnisse, die Wein und Harze als Inhalt belegen aber auch adipöse Fette von Wiederkäuern. Wie gehen diese beiden Inhalte aber zusammen? Wurde in ein und demselben Gefäß nach griechischer Tradition Wein mit Wasser gemischt und gleichzeitig Fleischsuppe serviert? Lässt sich dieser Unterschied vielleicht durch den Herstellungsprozess und der anschließenden Nutzung erklären? Es wäre durchaus denkbar, dass die Gefäßinnenwände mit tierischen Fetten eingerieben wurden, um diese zu versiegeln und für Flüssigkeiten undurchlässig zu machen. Ähnliche Vorgehensweisen sind innerhalb neuzeitlicher Keramikherstellungsprozesse bekannt. Die anschließende Verwendung als Weinmischgefäß könnte diese auf den ersten Blick überraschend erscheinenden Ergebnisse erklären. 

Diese und ähnliche Fragen möchte das Projekt mittels eines experimentalarchäologischen Ansatzes klären, der auf zwei Ebenen gleichermaßen neue Erkenntnisse zu Konsumlandschaften am Iato liefern kann. Einerseits bietet ein experimentalarchäologisches Vorgehen die Möglichkeit antike Handwerktechniken zu erproben und zu erforschen. Besonders die Oberflächenbearbeitung der Keramik mit organischen Substanzen, wie beispielsweise ethnologisch belegtes Polieren der Gefäße mit Öl sowie Versiegelungen mit Harzen, Fetten oder Milch wurden in der archaischen Mittelmeerforschung bislang nicht untersucht. Ebenso unklar ist wie sich eine solche Oberflächenbehandlung vor oder nach dem Keramikbrand in chemischen Analysen abzeichnen würde. Andererseits kann auf diese Weise ein Datenset gewonnen werden, dass es ermöglicht unter kontrollierten Bedingungen Vergleichsdaten zu antiken Inhaltsanaylsen zu schaffen.

[i] Brongniart – Salvétat 1854; Richards 1895, 152–154.
[ii] Berthelot 1906, 128–131.
[iii] Forbes 1963, 180; Hackford et al. 1931, 738.
[iv] Condamin et al.1976, 195–201; Evershed 1993, 74–93; Evershed 2008b, 895–924.
[v] Thornton et. al 1970, siehe ausführlich Evershed 2008 mit Literaturhinweisen.
[vi] Romanus et al. 2009, 900–909.
[vii] Copley et al. 2005b, 860–871.
[viii] Romanus et al. 2009, 900–909.
[ix] Copley et al. 2005a, 523–526.
[x] Beck et al. 1989, 369–380.
 

 
 

Beck et al. 1989
C. W. Beck – C. J. Smart – D. J. Ossenkop, Residues and linings in ancient mediterranean transport amphoras, Advances in Chemistry 220, 1989, 369–380

Berthelot 1906
M. Berthelot, Liquides provenant d’un flacon trouvé près de Reims, Mémoires de l’Académie des Sciences de l’Institut Paris IIe série 49, 1906, 128–131

Brongniart – Salvétat 1854
A. Brongniart – A. Salvétat, Traité des arts ceramiques ou des poteries considérées dans leur histoire, leur pratiques et leur théorie 2(Paris 1854)

Copley et al. 2005a
M. S. Copley – R. Berstan – S. N. Dudd – V. Straker – S. Payne – R. P. Evershed, Dairying in antiquity. I. Evidence from absorbed lipid residues dating to the British Iron Age, Journal of Archaeological Science 32.4, 2005, 485–503

Copley et al. 2005b
M. S. Copley – H. A. Bland – P. Rose – M. Horton – R. P. Evershed, Gas chromatographic, mass spectrometric and stable carbon isotopic investigations of organic residues of plant oils and animal fats employed as illuminants in archaeological lamps from Egypt, Analyst 130.6, 2005, 860–871

Forbes 1963
R. J. Forbes, Note on a lump of asphalt from Ur, Journal of the Institute Petroleum Technology 22, 1963

Evershed 2008
R. P. Evershed, Organic Residue Analysis and Archaeology. The Archaeological Biomarker Revolution, Archeometry 50.6, 2008, 895–924

Hackford et al. 1931
J. E. Hackford – S. Lawson – P. E. Spielmann, On an asphalt ring from Ur of the Chaldees, Journal of the Institute Petroleum Technology 17, 1931

Romanus et al. 2009
K. Romanus – J. Baeten – J. Poblome – S. Accardo – P. Degryse – P. Jacobs – D. de Vos – M. Waelkens, Wine and olive oil permeation in pitched and non-pitched ceramics. Relation with results from archaeological amphorae from Sagalassos, Turkey, Journal of Archaeological Science 36.3, 2009, 900–909

Richards 1895
T. W. Richards, The composition of Athenian pottery, American Chemistry Journal 17.3, 1895, 152–154

Thornton et. al 1970

M. D. Thornton – E. D. Morgan – F. Celoria, The composition of bog butter, Science and Archaeology 2.3, 1970, 20–5

 

 

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