Stempel- und ritzverzierte Keramik West-Siziliens in der Produktion von Lokalität
Im Zuge der Ansiedlungen der Griechen und Phönizier entlang der Küsten Siziliens kam es seit dem 8. Jh. v. Chr. zu vielfältigen Kontakten und Austauschprozessen zwischen den lokalen Gesellschaften und den Neuankömmlingen. Entsprechende Kontaktzonen verdichteten sich spätestens seit dem 6. Jh. v. Chr. zusehends und führten in der binnenländischen Höhensiedlung am Monte Iato (Westsizilien) zu spezifischen Reaktionen. So waren die lokalen Gemeinschaften gefordert in unterschiedlichen sozialen Situationen ein Gleichgewicht zwischen neuen Einflüssen von außen und dem Fortbestehen eines lokalen Zugehörigkeitsgefühls herzustellen. Eine soziale Strategie bestand darin, durch die retrospektive Konstruktion einer vorgriechischen oder vorkolonialen Vergangenheit besondere Arenen der identitätsbezogenen Selbstverortung zu etablieren. In diesem Prozess der Indigenitätsproduktion oder Produktion von Lokalität übernahm die lokale stempel- und ritzverzierte Keramik (Incisa-Keramik) als Rückverweis auf lokale Tradition und Verbundenheit eine Schlüsselposition. So taucht diese Keramikgattung als Versatzstück einer vermeintlich traditionellen Welt der Ahnen und Vorfahren in rituellen Kontexten des frühen 5. Jh. v. Chr. auf, einer Zeit in der diese Keramikform eigentlich bereits von der jüngeren mattbemalten Keramik abgelöst worden war. In diesen Kontexten finden sich zudem Incisa-Keramiken, die traditionelle Formen des 8. und 7. Jh. v. Chr. aufgreifen, aber von ihrer Herstellungstechnik der Keramik des 6. und 5. Jh. v. Chr. entsprechen und demnach bewusst die alten Formen nachahmen. Im Rahmen des Projektes soll diesem Phänomen des bewussten Einsatzes von Erb- bzw. Altstücken und Retro-Neuproduktionen im Sinne der chaîne opératoire mit Methoden wie Archäotechnik und Experimentalarchäologie auf den Grund gegangen werden. Eine Analyse der verschiedenen Produktions- und Konsumptionsprozesse der Incisa-Keramik soll ihre Funktionalisierung in der Produktion von Lokalität als indigene Selbstverortung offen legen.
Principal Investigator: |
MMag. Dr. Birgit Öhlinger |
Address: |
ATRIUM - Zentrum für Alte Kulturen - Langer Weg 11 |
University/Research Institution: |
Institut für Archäologien funded by Tiroler Wissenschaftsfond |
Project collaborations: |
Prof. Erich Kistler (University of Innsbruck) Dr. Andrea Roppa (University of Padova) Prof. Lara Maritan and Dr. Marta Tenconi (Department of Geosciences, University of Padova) Mag. Dr. Ulrike Töchterle (restoration laboratory, University of Innsbruck) |
für weitere Informationen: siehe Antrag 2018