Das ESCAPE-Projektteam stellt für das Sparkling Science Projekt die Forschungsleistung aus ihrem vierjährigen FWF-Projekt ESCAPE über Piraterie und Sklaverei im Mittelmeer in der frühen Neuzeit zur Verfügung.
Was ist ESCAPE?
ESCAPE steht für European Slaves: Christians in African Pirate Encounters. Barbary Coast Captivity Narratives (1550-1780) . Das Projekt untersucht ein geopolitisch bedeutsames Phänomen der frühen Neuzeit, das heute vielfach vergessen ist, obwohl es weitreichende Auswirkungen hatte: Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert wurden von den beiden an das Mittelmeer angrenzenden Machtblöcken Europa und dem osmanisch beeinflussten Nordafrika intensiv Piraterie und Kaperei betrieben. Das Ziel der Überfälle, die auch an der Atlantikküste bis nach Island vorkamen, waren neben den Handelsgütern vor allem die Besatzung und Passagiere der Schiffe, die zur Erpressung von Lösegeld als Sklaven gefangen genommen wurden.
Bisher wurde Freibeuterei und Sklaverei in der frühen Neuzeit vor allem von HistorikerInnen erforscht, nur vereinzelt hat sich die Literatur- bzw. Kulturwissenschaft dieses Themas angenommen. Aber gerade für diese Disziplinen ist das Thema zentral, da überraschend viele der aus der Gefangenschaft Heimgekehrten autobiografische Berichte über ihre Erlebnisse vor allem in Nordafrika verfassten. Diese Erzählungen dienten trotz der persönlichen Ausrichtung als wichtige Informationsquellen über die Geschehnisse dieser Zeit, insbesondere in Hinblick auf die damalige islamische Welt, über die nur wenige verlässliche und allgemein zugängliche Quellen zur Verfügung standen.
Literatur- und kulturwissenschaftliche Perspektive
Der erste großangelegte Versuch, Berichte von Gefangenen, die in der frühen Neuzeit Opfer von Mittelmeer-Piraterie wurden, aus literatur- bzw. kulturwissenschaftlicher Perspektive zu erforschen, ist neben dem französischen CORSO-Projekt das FWF-Projekt ESCAPE. Im Rahmen des von 2014 bis 2018 laufenden FWF-Projekts wird ein Textkorpus von ca. 130 autobiografischen Erlebnisberichten aus dem Zeitraum von 1550 bis ca. 1820 aufgearbeitet. Derzeit beinhaltet das Korpus Beispiele in Dänisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Isländisch, Italienisch, Niederländisch, Portugiesisch, Schwedisch und Spanisch, aber auch in Arabisch und Türkisch.
Die enthusiastischen Reaktionen auf bisherige Öffentlichkeitsarbeit durch MitarbeiterInnen des ESCAPE-Projekts zeigen ein großes Interesse an den vom Projekt erforschten Themen auf. In Anbetracht der derzeitigen geopolitischen Spannungen zwischen christlicher und islamischer Welt bietet sich das Phänomen der frühneuzeitlichen Piraterie im Mittelmeer an, um einen unvoreingenommenen Blick auf eine scheinbar religiös konnotierte, aber vornehmlich ökonomisch motivierte historische Konfrontation zwischen Europa und Nordafrika und ihre Mechanismen zu werfen.
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