Gesetzgebungsprozesse beobachtet: Implementierung der UN-Behindertenrechtskonvention
Das vom FWF geförderte Projekt startete im Mai 2014 an der Universität Innsbruck und wird voraussichtlich bis Juni 2016 abgeschlossen sein.
Die UN-Behindertenrechtskonvention (UNCRPD) wurde von Österreich im Jahr 2008 ratifiziert. Die Implementierung der von ihr aufgestellten Regelungen und Grundsätze erfordert zahlreiche Änderungen in den nationalen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten.[1]
Grundsätzlich verpflichtet Art 33 Abs 2 UNCRPD die Vertragsstaaten dazu, unabhängige Institutionen einzurichten, die auf nationaler Ebene die Umsetzung bzw Durchführung der UNCRPD überprüfen sollen. In Österreich übernimmt diese Aufgabe auf nationaler Ebene der Monitoringausschuss[2]; daneben gibt es in manchen Bundesländern auch Landes-Monitoringausschüsse (zB in Tirol[3]). In Deutschland wurde analog dazu die Monitoring-Stelle eingerichtet, die beim Deutschen Institut für Menschenrechte angesiedelt ist.[4] Diese Institutionen geben Stellungnahmen zu verschiedenen Regelungsvorhaben ab, tagen regelmäßig (auch öffentlich) und liefern regelmäßige Berichte zu den Fortschritten in der Umsetzung der UNCRPD.
Art 33 Abs 3 UNCRPD sieht weiters die Teilhabe und Einbeziehung der Zivilgesellschaft (insb Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen) in den Überwachungsprozess vor.
Art 35 UNCPRD enthält das bei menschenrechtlichen Übereinkommen bereits bekannte Berichtsverfahren, das die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, regelmäßig Berichte über die Umsetzung an die UNO zu übermitteln.
Aus rechtswissenschaftlicher – aber auch aus demokratiepolitischer – Sicht besonders interessant ist die Bestimmung des Art 4 Abs 3 UNCRPD, der in der deutschen Fassung folgendermaßen lautet:
„Bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten zur Durchführung dieses Übereinkommens und bei anderen Entscheidungsprozessen in Fragen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, führen die Vertragsstaaten mit den Menschen mit Behinderungen, einschließlich Kindern mit Behinderungen, über die sie vertretenden Organisationen enge Konsultationen und beziehen sie aktiv ein.“
Erstmals wird damit in einer Menschenrechtskonvention ausdrücklich eine Verpflichtung (und nicht etwa nur ein programmatisches Ziel) der Vertragsstaaten normiert, betroffene Personengruppen aktiv in die (insb legistischen) Prozesse der Umsetzung einzubinden.
Dieser Aspekt der UNCRPD bildet den Kern der projektbezogenen Forschungsfragen, für deren Beantwortung unterschiedliche Methoden angewendet werden.
Das Projekt beinhaltet einen klassisch rechtswissenschaftlichen bzw theoretischen sowie einem empirisch-sozialwissenschaftlichen Teil.
In einem ersten Schritt soll mittels Interpretation der UNCRPD und internationaler Literaturrecherche erarbeitet werden, in welcher Form die von Art 4 Abs 3 UNCRPD geforderte Einbindung von Menschen mit Behinderungen in den Gesetzgebungsprozess erfolgen kann bzw erfolgen muss, um den Kriterien der UNCRPD zu entsprechen.
Darauf aufbauend bilden empirische Erhebungen den Kern des Projekts. Durch Befragung der beteiligten Personen mittels Fragebögen und Interviews sowie begleitender Beobachtung der Gesetzgebungsprozesse (Teilnahme an Sitzungen der diversen Arbeitsgruppen) soll nachgezeichnet werden, inwiefern die verpflichtende Einbindung von Menschen mit Behinderungen bzw deren Vertretern tatsächlich erfolgt ist. Dazu werden nicht nur Mitarbeiter der für die legistischen Änderungen zuständigen Ministerien befragt, sondern insb auch Betroffene (Selbstvertreter, Vertreter von Sachwaltervereinen und Behindertenverbänden etc).
Der Fokus liegt zwar auf der Implementierung der UNCRPD in das österreichische Recht, im Rahmen eines Vergleiches werden aber mit der gleichen Herangehensweise die entsprechenden Vorgänge in Deutschland, Neuseeland und Australien beobachtet.
[1] In Österreich dürfte es zB im Bereich des Sachwalterrechts Reformbedarf geben, damit die nationalen Vorschriften im Einklang mit der UNCRPD (insb deren Art 12) stehen.