Ein
Visum für ein lateinamerikanisches
Land zu erhalten, war in Wien
meistens eine reine Frage der
Bestechungssumme. Nicht aus
humanitären Überlegungen, sondern
aus wirtschaftlichen Interessen
nahmen Länder Flüchtlinge auf oder
wiesen sie zurück.
Bolivien, neben Paraguay
einziger Binnenstaat Südamerikas,
war von Europa aus nur über die
klassischen transatlantischen
Schiffahrtsrouten wie z. B.
Genua-Rio de
Janeiro-Montevideo-Buenos Aires
erreichbar. Das Land, das nach
einem dreijährigen Krieg gegen
Paraguay (1932-1935) und wegen
hoher politischer Instabilität
wirtschaftlich am Boden lag,
öffnete im Gegensatz zu vielen
anderen Ländern seine Grenzen, um
auch jüdische Flüchtlinge
aufzunehmen. Bis 1938 hatten
überhaupt nur 250 Personen
mosaischen Glaubens in Bolivien
gelebt, denen etwa 1350
'Reichsdeutsche' gegenüberstanden,
die wiederum meist loyal zur
nationalsozialistischen Regierung
Deutschlands standen. Rund 7000
deutschsprachige Flüchtlinge,
darunter 1500 bis 2000
Österreicher, kamen zwischen 1938
und 1940 nach Bolivien. In dem von
einer sehr kleinen Oberschicht
dominierten Land fanden sie aber
kein entsprechendes Betätigungsfeld
und lebten zumeist vom Kleinhandel.
Viele der jüdischen Emigranten
verließen Bolivien bald wieder, um
in anderen Staaten Südamerikas oder
in den USA bessere
Lebensbedingungen zu finden. |
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