Zentrum für interreligiöse Studien feierlich eröffnet
Am 29. Oktober 2020 fand die Auftaktveranstaltung des Zentrums für Interreligiöse Studien aufgrund der aktuellen Pandemie in virtueller Form statt. Die Freude über die hohe TeilnehmerInnenanzahl war groß.
Eröffnet wurde das Zentrum für Interreligiöse Studien durch dessen LeiterInnen, Univ.-Prof.in MMag.a Dr.in Martina Kraml und Univ.-Prof. Mag. Dr. Zekirija Sejdini, die sich bei dieser Gelegenheit bei der Universitätsleitung und allen Mitwirkenden für die Unterstützung bedankten.
Es folgten Grußworte des Rektors der Universität Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Tilmann Märk, der beiden Dekane von der Fakultät für LehrerInnenbildung und der Kath.-Theologischen Fakultät, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Stadler MA und Univ.-Prof. Dr. Josef Quitterer, sowie des Bischofs der Diözese Innsbruck, MMag. Hermann Glettler, und des Präsidenten der IGGÖ, Mag. Ümit Vural, welche alle die Bedeutung und die Notwendigkeit des Zentrums für die Universität und die Religionsgemeinschaften betonten.
Im Anschluss wurde das Zentrum für Interreligiöse Studien anhand eines Videos vorgestellt, welches auch auf der Homepage des Zentrums (https://www.uibk.ac.at/zirs/ ) zu finden ist.
Den Höhepunkt der Auftaktveranstaltung markierte die Podiumsdiskussion mit dem Titel: „Kann die Wissenschaft weltanschaulich-religiöse Vielfalt fördern? Chancen und Herausforderungen interreligiöser Forschung“ statt, zu welcher ExpertInnen, wie Elif Medeni, MEd, Dr.in Eva Grabherr, Univ.-Prof. DDr. Martin Rothgangel, Univ.-Prof. Dr. Roman Siebenrock, VR Univ.-Prof.in Dr.in Ulrike Tanzer, aus verschiedenen Disziplinen und Blickwinkeln heraus Stellung bezogen. Die Podiumsdiskussion wurde vom Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Palaver geleitet.
Frau Dr.in Eva Grabherr, Geschäftsführerin der Projektstelle für Zuwanderung und Integration in Dornbirn, plädiert dafür, dass Universitäten – und in diesem Fall das Zentrum für Interreligiöse Studien – hinaus aus dem „Elfenbeinturm“, mitten hinein in die Gesellschaft gehen. „Religionen sind konflikthafte Themen, triggern Menschen am höchsten. Durch die Alltags- und die wissenschaftlichen Erfahrungen kann eine Übersetzungshilfe für verschiedene Religionen geliefert werden“, so Grabherr. Sie hofft, dass das Zentrum für Interreligiöse Studien zukünftigen Studierenden mehr Kompetenzen in Bezug auf das hochpolitisierte und konfliktgeladene Thema Religion mitgibt, damit gute Kommunikation gelingt.
Aus islamischer Perspektive verbindet Frau Elif Medeni, MEd, Leiterin des Instituts für Islamische Religion, KPH Wien/Krems, die Praxis mit der Theorie bzw. Wissenschaft. Ihrer Meinung nach könnte sich der gesellschaftliche Auftrag von Forschung auf die Interpretation und den Umgang mit Vielfalt beziehen: „Die Deutung von Pluralität - nicht nur religiöser Pluralität – benötigt vielfältige Kompetenzen, die es zu fördern gilt.“ Medeni bringt Beispiele für den fruchtbaren Beitrag der Wissenschaft, speziell der empirischen Forschung, und nennt die Studien zur muslimischen Jugendforschung. Darüber hinaus stellt sie die Bedeutung der LehrerInnenbildung für eine pluralitätssensible Gesellschaft heraus.
Aus evangelischer Sicht beantwortet Univ.-Prof. DDr. Martin Rothgangel, Professor für Religionspädagogik, Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Wien, die Frage „Kann die Wissenschaft weltanschaulich-religiöse Vielfalt fördern?“ eingangs mit „Ja, aber…“ und fordert kritische wissenschaftliche Betrachtungen ein, die gängige Praktiken im Bereich der Lehrpläne und Schulbücher z. B. mit Vorurteilsforschung verknüpfen und so vorurteilsbehaftete Perspektiven aufdecken können. Rothgangel plädiert dafür, dass ForscherInnen ihre praxisrelevanten Forschungsergebnisse mehr publik machen. Auch sei zu bedenken, dass WissenschaftlerInnen nur ein „Player“ unter anderen sind, wenn es darum geht, den Umgang mit weltanschaulich-religiöser Vielfalt zu fördern.
Aus universitärer Perspektive spricht Frau Univ.-Prof.in Dr. in Ulrike Tanzer, Vizerektorin für Forschung der Universität Innsbruck, davon, dass Religion und Theologie bzw. die Theologische Fakultät an einer staatlichen Universität Platz haben sollte. Es brauche die Auseinandersetzung mit Menschen anderer Weltanschauung, mit Andersgläubigen, Andersdenkenden, auch mit Menschen, die keine religiöse Sicht auf die Welt haben. Ein weiteres Spannungsfeld sieht die Vizerektorin in der LehrerInnenausbildung und der pädagogischen Bildung. Forschungsergebnisse sollten kurze Wege in die Schule haben. Im Sinne der Third Mission könnte gerade hier das Zentrum eine wichtige Aufgabe übernehmen. Tanzer wünscht sich, dass die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Wissenschaften und den Religionen gestärkt werden.
Für Univ.-Prof. Dr. Roman Siebenrock, Leiter des Instituts für Systematische Theologie an der Kath.-Theologischen Fakultät Innsbruck, stellt sich die Frage, mit welcher Haltung Wissenschaft betrieben wird. Seiner Meinung nach muss die Theologie von der Realität und der Lebensgemeinschaft der Menschen ausgehend denken. „Wir sollen in den anderen Traditionen suchen, achten, anerkennen und fördern, was dort an Werten und Wahrheiten zu finden ist. Das heißt: Den anderen mehr zu achten als sich selbst, also eine Zurückhaltung gegenüber sich selbst.“, so Siebenrock. Er sieht die Theologie als eine Wissenschaft, die scheitern kann, persönlich und sachlich.
In einer Schlussrunde formulieren die PodiumsdiskussionteilnehmerInnen Wünsche an das Zentrum für Interreligiöse Studien. Vizerektorin Tanzer wünscht sich eine Zusammenarbeit über die Disziplinen und Religionen hinweg. Martin Rothgangel viel Freude in der interreligiösen Zusammenarbeit, insbesondere auch um Widerstände gut zu bewältigen. Elif Medeni findet eine Erweiterung der Zusammenarbeit auf mehrere Religionen hin erstrebenswert Religionen. Eva Grabherr empfiehlt dem Zentrum, „nach draußen“ zu gehen, verschiedene Formate anzubieten und nicht nur innerhalb der universitären Räume zu bleiben. Roman Siebenrock erhofft sich Irritation und radikale Offenheit. Moderator Wolfgang Palaver reiht sich zum Abschluss mit dem Wunsch ein, dass all dies vom Zentrum wahrgenommen wird und die Wünsche in Erfüllung gehen mögen.
Text: Antigona Shabani
Die Auftaktveranstaltung wurde aufgezeichnet und kann hier nachgesehen werden.
Das Zentrum für Interreligiöse Studien stellt sich vor: hier zum Video