Mit der Verbreitung digitaler Technologien gaben die immensen Speicherkapazitäten und die Möglichkeiten zum Austausch und Teilen von Informationen Anlass sowohl zu optimistischen Szenarien einer egalitären Informationsgesellschaft als auch zu pessimistischen Einschätzungen einer technokratischen Überwachungsgesellschaft. PädagogInnen haben auf neue Bildungschancen und -potentiale hingewiesen, aber auch vor Gefahren der Verdummung, sozialen Vereinsamung oder problematischen Machtbeziehungen gewarnt. PhilosophInnen haben Oberflächlichkeit gepriesen oder bemängelt, SozialwissenschaftlerInnen haben auf das Netzwerk als Vermittlungsinstanz gesetzt, während die IT-Industrie die sofortige Verfügbarkeit zum Paradigma der Entwicklung erklärte. Fragen der Archivierung wurden dabei oftmals übersehen, im Kontext konservativer Kritik an digitalen Medien behandelt oder als Symptom einer historischen Krankheit aufgefasst, die es zu überwinden gilt. Solche Ansätze sind jedoch kaum geeignet, den zeitgenössischen sozialen, politischen, kulturellen und bildungstheoretischen Fragen zu begegnen, welche sich angesichts der Möglichkeiten digitaler Archive ergeben.
Zahlreiche Initiativen der letzten Jahre haben sich die Öffnung und Erweiterung von Bildungsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen durch die Nutzung digitaler Kommunikationstechnologien sowie Creative Commons Lizenzen und die Entwicklung von massive open online courses (moocs) zum Ziel gesetzt. Heute wird im anglo-amerikanischen Sprachraum Open Educational Resources (OER) als Überbegriff für Initiativen der Entwicklung offener Inhaltsangebote, OER Commons, Open Courseware (OCW), OER Repositorien, OCW Suchfunktionen, universitäre OCW Angebote und verwandte Initiativen betrachtet. Sammlungen frei zugänglicher Quellen wie Connexions, WikiEducator oder Curriki verzeichnen sehr hohe Zuwachsraten der Nutzung und aktiven Mitwirkung. Erst kürzlich wurde vom UNESCO/Common-wealth of Learning (COL) Chair ein Projekt gestartet mit dem Ziel der globalen Erfassung der vielgestaltigen Landschaft der institutionalisierten OER-Initiativen.
Die Tagung fokussiert gegenwärtige Dynamiken und transformative Prozesse an der Schnittstelle von OER-Initiativen und Fragen der digitalen Archivierung. Wir laden WissenschaftlerInnen, BildungsanbieterInnen und Medienschaffende zur Einreichung von Beiträgen ein.
- Wie kann der traditionelle Anspruch der Bildung für Alle angesichts der aktuellen Mediendynamiken und OER-Projekte konzeptualisiert werden?
- Worin liegen die Chancen und Grenzen freier Bildungs- und Unterrichtsmedien?
- Welche Methoden zur Erforschung kultureller Praxen in offenen und vernetzten Bildungsräumen sind angemessen?
- Wie können verwandte Themen wie ressourcenbasierte Instruktionsmodelle, (akademisches) Open Access Publishing und Ansätze der Gestaltung freier Bildungsmedien miteinander verknüpft werden?
- In welcher Weise reflektieren oder kreieren digitale Archive historische Entwicklungslinien und was ist deren Relevanz für Mediensozialisationsprozesse?
- In welcher Weise entstehen veränderte Handlungspraxen im Umgang mit frei zugänglichen, digitalen Informationen und Objekten und welche Chancen und Herausforderungen sind aus einer medienpädagogischen Perspektive zu reflektieren?
- Wie beeinflussen digitale Archive unsere Auffassungen von Vergessen und was bedeutet dies für eine Didaktik der Erinnerung und für Prozesse der Vermittlung zwischen individuellen und kollektiven Gedächtnissen?
- In welchem Ausmaß ist Archivieren eine Frage der Automation geworden und welche Bedeutung haben Automatismen für Bildungsprozesse?
- Wie verändern sich unsere Einstellungen zum Sammeln und Bewahren von Dingen, Objekten und Informationen in erzieherischen und Bildungszusammenhängen?
- Wie können Bildungsinstitutionen mit der gegenwärtigen Rechtslage in Archivierungsbelangen umgehen und wie kann so genannte graue Literatur digitalisiert und archiviert werden?
- Inwiefern verändert sich die Rolle traditioneller Institutionen der Archivierung wie beispielsweise Bibliotheken, Museen oder Film- und Medienarchive?
- Wie verändert sich die Relation zwischen archivalischem Wissen und politischer Legitimität in Kontexten der Digitalisierung? Welche Konsequenzen hat dies für die politische Bildung?
- Welche Einflüsse können digitale Archive auf Dynamiken der Aufmerksamkeit und kulturelle Gedächtnisse haben? Wie gehen wir mit Dingen um, die nicht gespeichert werden können?
- Welche Bedeutung kommt im diesem Kontext (Meta-)Suchmaschinen zu? Wie kann mit archivierten Informationseinheiten verfahren werden, die zwar archiviert, nicht aber gefunden werden?
- Welche politischen und ökonomischen Faktoren beeinflussen die Dynamik digitaler Archive?
- Sind nicht-archivale digitale Wissensformen möglich und wie können sie ggf. modelliert werden?
- Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung von Archiven auf die Frage des Neuen?
Die internationale Tagung wird vom interdisziplinären Forum Innsbruck Media Studies der Universität Innsbruck in Kooperation mit der Sektion Medienpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) als Teil der Tagungsreihe „Medien – Wissen – Bildung“ veranstaltet.
Konzept und Tagungsplanung: Univ. Prof. Dr. Theo Hug, Univ. Ass. Dr. Petra Missomelius, Prof. Dr. Felix Stalder und Dr. Wolfgang Sützl
Koordination des DoktorandInnenforums: Dr. Sandra Aßmann und Dr. Mandy Rohs
Organisatorische Unterstützung: Mag. Valentin Dander, MMag. Veronika Gründhammer und Mag. Juliane Nagiller
Programm | Call for Papers (deutsch) | Call for Papers (english) | Call für den Sammelband | Publishing Guidelines | Stylesheet and Guidelines
Die Audiodateien und Präsentationen finden Sie in unserem Medienpool.