„Seltsam, Sie sind nicht sehr chinesisch!“
AutorInnen chinesischer Herkunft, die auf Französisch schreiben, stellen sich vor
Julia Pröll (Hg.)
ISBN 978-3-902811-21-9
brosch., 320 Seiten, zahlr. Farbabbildungen, deut., franz.
2012, innsbruck university press • iup
Preis: 32,90 Euro
Wie hat man sich die Geburt des ersten chinesischen Psychoanalytikers mit dem ironisch gefärbten Namen Muo vorzustellen? Was treibt einen namenlosen Kakerlakenzüchter im China der Zukunft zu einem Mord? Und wie schafft ein einfaches Mädchen aus dem Volk den Aufstieg zur ersten und einzigen Kaiserin von China? Auf diese und noch viele andere Fragen geben die in dieser zweisprachigen Anthologie versammelten Texte Antwort. Sie stammen aus der Feder von SchriftstellerInnen, die ‚zwischen Welten schreiben‘: Alle haben sie ihre Heimat China verlassen und sind nach Frankreich emigriert, wo sie begonnen haben, auf Französisch zu publizieren – unter ihnen auch der Nobelpreisträger des Jahres 2000 Gao Xingjian. Im Unterschied zu AutorInnen aus den ehemaligen französischen Kolonialgebieten, wie beispielsweise Vietnam, haben sie kein ‚reales‘ Naheverhältnis zu Frankreich, sehr oft aber ein idealisiertes Bild dieses Landes und seiner Sprache. Neben Erschütterungen eigener Identität durch Begegnungen mit dem ‚Fremden‘ – oft in Gestalt der westlichen Kultur –, handeln die Texte dieser ‚Grenzgänger‘ vom Aufbruch ins Ungewisse, von enttäuschten Erwartungen im Aufnahmeland, von der Rückkehr in die ehemalige, fremdgewordene Heimat. Sehr oft räumen sie der Erinnerung einen hohen Stellenwert ein und setzen sich mit der chinesischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinander. Sie stellen Figuren in Schwellen-und Grenzsituationen dar, die die Konfrontation mit ‚dem Anderen‘ zu einer radikalen Selbsterkundung führt.
Kommentare zu den einzelnen Textausschnitten erleichtern ihre Kontextualisierung, benennen Hauptthemen, stellen Interpretationsansätze vor und sensibilisieren für formale Besonderheiten. In einer kurzen Einführung der Herausgeberin werden außerdem die AutorInnen porträtiert und die Besonderheiten dieser facettenreichen Literaturproduktion präsentiert, die im Zeichen von Bewegung, Dynamik und Transkulturalität steht. Neben bereits ins Deutsche übersetzten und breit rezipierten AutorInnen kommen auch unbekanntere Stimmen zu Wort, die erstmals ins Deutsche übertragen wurden.