isbn-978-3-902866-38-7

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Wenn mein Vater Polnisch spricht
Roman

Peter Steiner

Erscheinungstermin: Februar 2016
ISBN 978-3-902866-38-7
Hardcover mit Schutzumschlag, 248 Seiten
2016, edition laurin bei innsbruck university press • iup
Preis: 21,90 Euro

Eine beschauliche Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn, das stellt sich der Geo­chemiker aus einer österreichischen Kleinstadt vor, als er im Herbst 1981 den Zug ­besteigt, um zu einem Kongress in Irkutsk am Baikalsee zu reisen. Doch die Fahrt in die sibirischen Weiten des Sowjetreiches wird schon am Grenzübergang in die Tschecho­slowakei zu einer unerwarteten Reise in die Vergangenheit der eigenen Familie. Saß nicht sein Vater vor vierzig Jahren in diesem Zug, um nach dem deutschen Überfall auf Polen in das neu geschaffene General-Gouvernement zu fahren? Vier Kriegsjahre verbrachte der Vater in Warschau, aber der Sohn weiß davon so gut wie nichts. Die Begegnungen mit Menschen auf der Fahrt durch den Sowjetstaat geben nur noch mehr Rätsel auf. Es ist die andere Gegenwart, die unberührten Wälder Sibiriens, Dörfer im tausendjährigen Schlaf, junge Frauen und Männer mit dem Licht der Zukunft in den Augen, oft naiv verträumt, gelegentlich auch rebellisch, der Glanz alter Städte Zentralasiens, die den Reisenden die Vergangenheit vorübergehend vergessen lassen. Nach der Heimkehr will er seinen Vater befragen, über die von Schweigen versiegelte Zeit, und warum er, mit einer einzigen Ausnahme, nie Polnisch spricht.

„Im Waggon kündigt sich das Ende der Fahrt an. Es ist der Kurswagen nach Irkutsk, in dem ich sitze. Er wird hier gereinigt, neu bestückt und an den Gegenzug nach Moskau gehängt. Die Bettwäsche hat man bereits eingesammelt und in große Säcke gestopft. Die Verantwortlichen zählen die Teegläser und deren metallene Halterungen. Der dünne, waschbare Stoffläufer über dem Dauer-Teppichläufer im Korridor ist verschwunden. Das Personal im Speisewagen hat alle überschüssigen Lebensmittel in den letzten Stationen an die den Zug stürmenden Frauen verkauft. Alle Eierplateaus sind leer, die großen Einlegegläser mit krautgefüllten, grünen Paradeisern stehen nicht mehr hinter dem Kassenpult. Zug Nummer 10, Baikal, wird in zwanzig Minuten am Ziel seiner 5.190 Kilometer langen Fahrt angelangt sein. Acht Stunden wird er in Irkutsk stehen, um mit dem beladen zu werden, was er auf seiner Fahrt als Zug Nummer 9 nach Moskau brauchen wird. Mir wäre es im Augenblick lieber, die Fahrt ginge nicht zu Ende. Ich werde die problemlose Geborgenheit dieses kleinen, warmen Schlafwagenabteils vermissen. Viel lieber führe ich weiter, zumindest noch einige Tage lang. Vielleicht wäre mein Unbehagen dann verflogen. Warum findet der Kongress nicht in Wladiwostok statt, oder in Petropawlowsk-Kamtschatski am Ochotskischen Meer?“  

www.editionlaurin.at 


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