Ringvorlesung WiSe 2022/23
Geschlecht, Ethnizität, Kultur: Körper im Spannungsfeld von Unterwerfung und Subversion
Körper, Wert und Ware: Spenden im Gesundheitswesen
Gabriele Werner-Felmeyer, Magdalena Flatscher-Thöni, Andreas Exenberger
Abstract:
Die moderne Medizin hat die Möglichkeiten des Austauschs von Körperzellen und Körperteilen in lange nicht vorstellbarer Weise erweitert. Die Einführung der Blutkonservierung in den 1940er-Jahren führte zur Etablierung des heute nicht mehr wegzudenkende Blutspendewesen mit Hilfe von Blutbanken. Seit den 1970er-Jahren ist die Transplantation von Stammzellen – gewonnen aus dem Knochenmark, dem Blut oder der Nabelschnur von Spender:innen – zur Behandlung von Erkrankungen des blutbildenden (hämatopoetischen) Systems möglich. Die Transplantation von Haut lässt sich nach Alt-Indien ca 2.500 Jahre zurückverfolgen und erreichte Europa im 16. Jahrhundert. Seit dem 19. Jahrhundert wurde mit der Transplantation von Organen experimentiert. Der Beginn des modernen Transplantationswesens (mit Organen sowohl von verstorbenen als auch von lebenden Spender:innen) wird in die 1950er-Jahre datiert. In den letzten 20 Jahren wurden auch Hände, Gesicht und Uterus (Vascularized Composite Allografts (VCA)) transplantiert. Mit der Entwicklung der Reproduktionsmedizin seit den 1970er-Jahren zählen heute auch Eizell-, Samen- und Embryonenspende, sowie die zeitlich begrenzte Überlassung des eigenen Körpers im Rahmen der Leihmutterschaft zum medizinischen Repertoire. Dabei sind Samenbanken schon vor längerer Zeit entstanden, Eizellbanken hingegen nur in jenen Ländern, in denen die Eizellspende schon länger erlaubt ist, beispielsweise den Niederlanden. All diese körperlichen, medizinisch verwertbaren „Materialien“ werden einerseits über streng regulierte Institutionen im Rahmen einer medizinischen Behandlung mit entsprechender Indikation verteilt, andererseits gab und gibt es mehr oder weniger regulierte Märkte, auf denen diese nicht nur gespendet, sondern auch legal oder illegal verkauft bzw. erworben werden können. In unserem Beitrag gehen wir der Bedeutung von Körper als Quelle medizinisch verwertbaren „Materials“ in seiner Funktion als Spende und als Ware nach. Dabei setzen wir uns auch mit Genderperspektiven auseinander und wie diese den Wert von Spende und Ware beeinflussen.
Zu den Personen:
Gabriele Werner-Felmayer ist außerordentliche Professorin für Medizinische Biochemie am Institut für Biologische Chemie der Medizinischen Universität Innsbruck. Ihre derzeitigen Forschungsinteressen konzentrieren sich auf bioethische Fragen in den Bereichen Genetik/Genomik/Omics, Reproduktion, regenerative Medizin, Organtransplantation und daten-intensive Medizin. Sie leitet das interdisziplinäre Bioethik-Netzwerk ethucation und ist u.a. seit 2017 Mitglied der Bioethik-Kommission im Bundeskanzleramt.
Magdalena Flatscher-Thöni ist Assistenzprofessorin für Medizin- und Gesundheitsrecht an der UMIT TIROL. Ihre Forschungsinteressen konzentrieren sich zum einen auf die rechtliche Bewertung des menschlichen Lebens und zum anderen auf rechtliche und ethische Aspekte der Reproduktionsmedizin. Sie beschäftigt sich aktuell in einem Forschungsprojekt mit dem Thema Uterustransplantation.
Andreas Exenberger ist assoziierter Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik der Universität Innsbruck. Seine Forschungsinteressen kreisen um globale Ungleichgewichte und Verteilungsfragen, insbesondere in ihrer strukturellen Genese und speziell aus globalhistorischer und institutionenökonomischer Perspektive. In diesem Zusammenhang spielen auch ethische Fragestellungen immer wieder eine Rolle. Er engagiert sich auch für mehrere gemeinnützige Vereine und leitet derzeit das von der FFG geförderte Laura-Bassi-Projekt-Konsortium „Ein digitaler Sozialroutenplan für Westösterreich“.
Zeit: Donnerstag, 03. November 2022, 17:15-18:45
Ort: Campus Innrain, Hörsaal 7 (EG)
MA Gender, Kultur und Sozialer Wandel, Wahlmodul 4 und Angebot für alle MA Studien, Interdisziplinäre Kompetenzen