Ringvorlesung WiSe 2022/23
Geschlecht, Ethnizität, Kultur: Körper im Spannungsfeld von Unterwerfung und Subversion

Recht auf Behinderung als Recht auf Körper. Die UN-BRK anthropologisch gelesen.
Lisa Pfahl, Rouven Seebo

 

Abstract:

Neben dem Wissen um symbolische Ordnungen und soziale Ungleichheit bleiben leibgebundende Gefühle und Affekte über die Lebensspanne hinweg für die Ausbildung von Handlungsfähigkeit von grundlegender Bedeutung. Ein Verständnis von Körpern und ihren leiblichen Erfahrungen in Auseinandersetzung mit Erwartungen, Zuschreibungen, Kategorien bereichert die machtanalytische Subjektforschung mit ihrer Kritik an hierarchischen Gesellschaftsordnungen. Viele Körpertheorien scheitern jedoch am Phänomen Behinderung, da sie das historische und soziale Entwicklungspotential von behinderten Körpern als Beeinträchtigung missverstehen. Ihr Ausgangspunkt ist ein Normkörper, der vorausgesetzt wird, aber häufig dethematisiert bleibt. Wie aber können Erfahrungen der Behinderung in Körpertheorien gedacht werden? Im Beitrag sollen Kriterien für eine nicht-ableistische Körpertheorie entwickelt werden. Phänomenologische Ansätze versuchen das leibliche Empfinden als Quelle von unter anderem Lust und Schmerz zu erkunden und Körper von Innen zu beschreiben; mit ihnen lässt sich fragen, wie behinderte Körper sich empfinden. Sozialwissenschaftliche Ansätze befassen sich mit behinderten Körpern von Außen, also ihrer Anordnung in Zeit und Raum, ihrer repräsentativen und performativen Wirkung. In den Disability Studies wird zwischen Behinderung und Beeinträchtigung differenziert und eine wechselseitige Konstitution beider Phänomene argumentiert. Um behinderte Körper als historische, soziale und erfahrungsmäßige Gegenstände zu rekonstruieren, greifen wir auf kulturanthropologische und wissenssoziologische Zugänge zurück, um zu verstehen, wann ein Körper zum Subjekt wird. Mit Lindemann (2018) betrachten wir Subjekte als im Raum ausgedehnte und symbolisch aufgeladene Körper, die sozial, rechtlich und politisch bestimmt werden. Am Beispiel der Behindertenrechtskonvention, die ‚Körperindividuen’ als diverse, entwicklungs- und verletzungsoffene Einheiten entwirft, und auf die Gleichheit der Menschen sowie auf die Besonderheit von Körpern eingeht, soll im Beitrag ein menschenrechtliches Verständnis des Körpers skizziert werden. Das Recht auf Würde und Freiheit der Subjekte stehen dabei im Zentrum. Wie bringen Individuen, um als Subjekte Anerkennung zu erlangen, ihre Körper und Erfahrungen in Einklang mit normativen Vorstellungen des Menschlichen?

 

Zu den Personen:

Lisa Pfahl ist Universitäts-Professorin für Disability Studies und Inklusive Bildung. Sie beschäftigt sich mit Wissen, Ungleichheit, Menschenrecht, Behinderung und Subjektivierung. Sie ist Mitherausgeberin der open access Zeitschrift für Disability Studies (ZDS) zds-online.org und leitet die digitale Bibliothek bidokbib.at (behinderung – inklusion- dokumentation).

Rouven Seebo, MA Bildungswissenschaft ist Universitätsassistent am Lehr- und Forschungsbereich Disability Studies und Inklusive Pädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft. In seinem Dissertationsprojekt forscht er zu Selbstdarstellungen behinderter Menschen in Social Media.

 


 

Zeit: Donnerstag, 24. November 2022, 17:15-18:45
Ort: Campus Innrain, Hörsaal 7 (EG)


MA Gender, Kultur und Sozialer Wandel, Wahlmodul 4 und Angebot für alle MA Studien, Interdisziplinäre Kompetenzen

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