Staat und Kirche
Bearbeitung: Wilhelm Rees
Das Verhältnis von Staat und Kirche ist in der Geschichte von verschiedenen Epochen und unterschiedlichen Bindungen bestimmt. Die gegenwärtig in Österreich geltenden staatskirchenrechtlichen Bestimmungen stammen aus allen politischen Systemen Österreichs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts (vgl. Brigitte Schinkele, Kirche und Staat: Österreich, in: LKStKR 2, S. 438 ff.). Mit dem noch heute geltenden StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom 1867 begann der Abbau der konfessionellen Bindungen und der Übergang zu einem religionsneutralen System der Staatskirchenhoheit. Im Bundes-VerfassungsG der Republik Österreich (1920) kam es mangels Einigung über einen neuen Grundrechtskatalog zur Übernahme des StGG. Staatskirchenrechtliche Vorschriften finden sich auch in einfachen Gesetzen und in Verordnungen. Hinzu kommen staatsvertragliche Normen staatskirchenrechtlichen Inhalts, also Normen, die sowohl der österreichischen Rechtsordnung angehören als auch völkerrechtlichen Bindungscharakter genießen. So wird das besondere Staatskirchenrecht der katholischen Kirche in Österreich traditionell durch Verträge mit dem Heiligen Stuhl geregelt (Österreichisches Konkordat; Schulvertrag).
Leitgedanken des Österreichischen Staatskirchenrechts sind: Garantien für das Individuum und für die Kirchen und Religionsgesellschaften, die grundrechtliche Gewährung der Glaubens-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit des Individuums, die Gewährleistung der korporativen Religionsfreiheit, das Prinzip der Gleichheit bzw. Parität, der Grundsatz der gesetzlichen Anerkennung, der Grundsatz der Exklusivität, der Grundsatz der Gewährleistung des inneren Kernbestands der gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften, die Berücksichtigung der öffentlichen Bedeutung, das Prinzip der Verschiedenheit von Kirche und Staat, das Prinzip der religiös weltanschaulichen Neutralität (vgl. Hugo Schwendenwein, Österreichisches Staatskirchenrecht (= Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, Beiheft 6), Essen 1992, S. 55-59).
Die wachsende europäische Einheit wird sich auch im Bereich der religiösen Interessen auswirken. Die einzelnen staatskirchenrechtlichen Besonderheiten der einzelnen Mitgliedstaaten sind im Unionsvertrag gesichert. Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten (Art. F Abs. 1 Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 i. g. F.). Darüber hinaus wurde in der Schlußakte zu den Beschlüssen von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 festgeschrieben, daß der Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten genießen, nicht beeinträchtigt werden soll (vgl. Nr. 11 der Erklärung zur Schlußakte zum Vertrag von Amsterdam vom 2.10.1997).