Herr Kirchler legte in seinem Vortrag den Fokus auf drei verhaltenswissenschaftliche Themen, welche einem auch im alltäglichen Leben immer wieder begegnen. Zunächst erklärte er, dass der „Rahmen“, also der Kontext, in welchen Entscheidungen eingebettet sind, einen starken Einfluss auf die endgültige Entscheidung hat. Entgegen dem Konzept des Homo Oeconomicus werden gleiche Antwortmöglichkeiten in der Realität aufgrund verschiedener Formulierungen mit unterschiedlichen Häufigkeiten gewählt bzw. abgelehnt. Das „Asian Disease Problem“ sowie diverse finanzwirtschaftliche Experimente belegen, dass positive Aussagen auch dann häufiger gewählt werden als negative Aussagen, wenn sie schlussendlich zum gleichen Ergebnis führen. Außerdem konnte in zahlreichen Studien festgestellt werden, dass bei Entscheidungen unter Risiko mit monetären Auszahlungen im Verlustbereich generell risikofreudig, im Gewinnbereich jedoch eher risikoavers agiert wird.
Im zweiten Teil des Vortrags widmete sich Herr Kirchler dem Ankereffekt. Anhand anschaulicher Studien und Experimente wurde aufgezeigt, dass Werte, auch wenn diese offensichtlich in keinem Zusammenhang zu einer Entscheidung stehen, oftmals als Referenzpunkte fungieren. Beispiele für solche Ankereffekte stellen im Alltag einerseits Freunde und Familienmitglieder, die beispielsweise teuren Wein trinken oder bestimmte Markenklamotten tragen, andererseits aber auch Werbeprospekte, in welchen Angebotspreise zu finden sind, dar. In der Praxis, insbesondere im Konsumbereich, wird in diesem Zusammenhang oft der Lockvogeleffekt (Decoy Effect) eingesetzt, um das Kaufverhalten der Kunden zu beeinflussen.
Doch nicht nur Ankereffekte und Framing haben einen starken Einfluss auf Entscheidungen, auch soziale Normen und Vergleiche können das Verhalten von Individuen verändern. Eine unabhängige Person trifft oft andere Entscheidungen, als eine einzelne Person es als Teil einer Gruppe tun würde. Im Vergleich mit anderen Personen tendiert man oftmals dazu, das eigene Verhalten anzupassen, was mittels Nudging auch gezielt genutzt werden kann.
Abschließend empfahl Herr Kirchler insbesondere eine Selbstreflexion und das Treffen unabhängiger Einschätzungen, um den Effekten auf individueller Ebene zu begegnen. Auf Unternehmensebene sollte vor dem Einsatz von Rankings bzw. sozialen Vergleichen deren Eignung geprüft werden, da diese zwar oftmals zu einer höheren Performance führen können, gleichzeitig aber antisoziales Verhalten hervorrufen.
In der Diskussion beantwortete Herr Kirchler im Anschluss an den Vortrag Fragen zu Ankereffekten in Gehaltsverhandlungen, Framing bei Regierungsentscheidungen, der ethischen Vertretbarkeit von Nudges und dem Einsatz dieser verhaltenswissenschaftlichen Effekte bei Investmentangeboten.