ANTWORT
von Mag. Mag. Dr. Clara Rauchegger, LLM
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Für die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug sind in erster Linie die EU-Mitgliedstaaten zuständig.
Die EU unterstützt die Mitgliedstaaten, zum Beispiel indem sie die Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten fördert. Durch den Austausch von Informationen zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten wird es Steuerhinterziehern schwieriger gemacht, unentdeckt zu bleiben. So gibt es beispielsweise ein elektronisches Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem, mit dem Mehrwertsteuernummern der Mitgliedstaaten überprüft werden können.
Eine weitere Maßnahme der EU ist die Erstellung einer schwarzen Liste von nicht-kooperativen Steuergebieten durch die EU-Finanzminister. Diese Liste umfasste zunächst 17 Steuerparadiese außerhalb der EU, die regelmäßig überarbeitet wird. Durch diese Liste soll Druck auf nicht kooperative Staaten außerhalb der EU ausgeübt werden. Sobald ein Staat sich bereit erklärt zu kooperieren und bestimmte Standards einzuhalten, wird er von der Liste gestrichen.
Im Jahr 2012 veröffentlichte die EU-Kommission einen Aktionsplan mit mehr als 30 Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Sie schlug darin Maßnahmen wie eine einheitliche EU-Steueridentifikationsnummer oder einen Schnellreaktionsmechanismus bei Mehrwertsteuerbetrug vor. 2017 veröffentlichte die EU-Kommission einen Aktionsplan für eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung in der EU mit dem Ziel der Vermeidung von Steuermissbrauch.
Das Europäische Parlament legte zuletzt im März 2019 einen detaillierten Fahrplan für gerechtere und effektivere Steuergesetzgebung und Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung vor. Die Abgeordneten fordern darin zum Beispiel eine eigene EU-Finanzpolizei und eine eigene EU-Finanzinformationseinheit.
Um steuerpolitische Maßnahmen auf EU-Ebene einzuführen, bedarf es aber der Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten. Der Rat der EU, indem die Mitgliedstaaten vertreten sind, muss Vorschläge der EU-Kommission im Steuerbereich einstimmig beschließen. Die Steuerpolitik ist der letzte Politikbereich, in dem die Beschlussfassung ausschließlich einstimmig erfolgt. Dieses Einstimmigkeitserfordernis führte immer wieder dazu, dass Mitgliedstaaten wichtige EU-Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung blockierten.
Vor diesem Hintergrund hat Kommissionspräsident Juncker in seinen Reden zur Lage der Union der Jahre 2017 und 2018 vorgeschlagen, in bestimmten Steuerangelegenheiten zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit überzugehen. Anfang 2019 unterbreitete die Europäische Kommission in einer Mitteilung einen konkreten Vorschlag, der ein schrittweises Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip im Bereich der Steuerpolitik vorsieht. Wie in anderen Politikbereichen auch, soll die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten ausreichen. Diese Mitteilung der EU-Kommission soll eine breit angelegte politische Debatte über die Steuerpolitik der EU anregen.