ANTWORT
von Univ.-Prof. Mag. Dr. Walter Obwexer
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Nach der „Dublin III-Verordnung“ ist in den meisten Fällen jener Mitgliedstaat zur Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz zuständig, über dessen Grenze die Schutzsuchenden erstmals in die EU eingereist sind. Dies trifft bereits seit mehreren Jahren in erster Linie die südlichen Mitgliedstaaten Griechenland und Italien sowie – eingeschränkt – Malta und Spanien.
Zur Unterstützung der Mitgliedstaaten Griechenland und Italien, die 2015 aufgrund des plötzlichen Zustroms von Schutzsuchenden in eine Notlage geraten waren, fasste der Rat der EU im September 2015 zwei „Umverteilungsbeschlüsse“.
Der erste Beschluss sah eine Umsiedlung von insgesamt 40.000 Schutzsuchenden aus Italien und Griechenland in andere Mitgliedstaaten vor. Der zweite Beschluss umfasste eine Umsiedlung von insgesamt 120.000 Schutzsuchenden.
Die Slowakei und Ungarn waren mit diesen „Umverteilungsbeschlüssen“ nicht einverstanden, konnten sie im Rat der EU aber nicht verhindern. Deshalb haben sie beide Beschlüsse beim Gerichtshof der EU bekämpft. Die Klagen wurden jedoch abgewiesen. Der Gerichtshof bestätigte, dass beide Beschlüsse gültig sind.
Die Slowakei und Ungarn waren und sind daher verpflichtet, die für sie vorgesehenen Schutzsuchenden zu übernehmen. Sollten sie dies nicht tun, könnte die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Würde der Gerichtshof eine Vertragsverletzung feststellen und einer oder beide Staaten dem Urteil nicht umgehend nachkommen, könnte der Gerichtshof in einem zweiten Verfahren eine finanzielle Sanktion verhängen.
Nach 2015 wurde kein weiterer Umverteilungsbeschluss mehr erlassen. Zum einen konnte durch die Verbesserung der Kontrollen an den Außengrenzen ein weiterer plötzlicher Zustrom von Schutzsuchenden vermieden werden, zum anderen sind inzwischen mehr Mitgliedstaaten gegen eine derartige Umverteilung (darunter auch Österreich), so das im Rat keine qualifizierte Mehrheit mehr erzielt werden könnte.