ANTWORT
von Univ.-Prof. Mag. Dr. Walter Obwexer
Rechtswissenschaftliche Fakultät
In der EU entscheidet derzeit jeder Mitgliedstaat selbst darüber, welche Personen seine Staatsbürgerschaft erwerben und wann diese verloren geht. Das Staatsbürgerschaftsrecht fällt nämlich nach wie vor in Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Solange dies so ist, können auch nur die Mitgliedstaaten Reisepässe und/oder Personalausweise ausstellen. Diese amtlichen Dokumente bescheinigen nämlich die Staatsbürgerschaft einer bestimmten Person.
Die EU hat bislang lediglich in einer – nicht bindenden – Entschließung den Mitgliedstaaten nahegelegt, ihre nationalen Pässe nach einheitlichen Kriterien zu gestalten („Europa-Pass“ in bordeaux-violett) und bestimmte Sicherheitsmerkmale (zB Fingerabdruck) vorzusehen. Daran haben sich alle Mitgliedstaaten gehalten. Für Personalausweise gibt es nicht einmal eine Empfehlung, diese Dokumente einheitlich – zB als Scheckkarte – zu gestalten. Deshalb stellen die Mitgliedstaaten ganz unterschiedliche Personalausweise aus.
Ein „EU-Pass“ würde hingegen eine einheitliche EU-Staatsbürgerschaft voraussetzen, die von der EU selbst geregelt und in der Folge an ihre Bürger*innen vergeben werden müsste. Dies würde aber eine Änderung der EU-Verträge erfordern. Dafür wäre die Zustimmung aller Mitgliedstaaten notwendig. Dies erscheint in absehbarer Zukunft aber nicht realistisch.
Bis zu einer entsprechenden Änderung der EU-Verträge wird es daher dabei bleiben, dass die EU-Mitgliedstaaten über den Erwerb und den Verlust ihrer Staatsbürgerschaft entscheiden und damit auch bestimmen, wer Unionsbürger*in wird und wer diesen Status verliert. Die Unionsbürgerschaft ist nämlich an die Staatsbürgerschaft eines der Mitgliedstaaten gekoppelt. Sie verleiht als „grundlegender Status“ den Unionsbürger*innen die im Unionsrecht vorgesehenen Rechte und Pflichten. Dazu gehört primär das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.