Zur Ausstellung
Katja Duftner
26. April 2013
Die in Innsbruck geborene Katja Duftner kam über eine Goldschmiedlehre in London und Pforzheim 1987 an die Akademie für Bildende Künste in Wien. Seit Beginn der Neunzigerjahre bespielte Duftner zahlreiche Ausstellungen in Deutschland, Österreich, Italien und der Türkei, sie war auf allen großen Kunstmessen des deutschsprachigen Raums vertreten, Werke sind unter anderem im Besitz der Albertina, der Akademie der Bildenden Künste in Wien und des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, der Städte Wien und Innsbruck sowie des Landes Tirol.
Unter dem Titel „Die Gesellschaft als Netzwerk sozialer Atome“ blickt Katja Duftner zurück auf den Physiker und Philosophen Ernst Mach und auf Paul Klee, auf dessen Strichstrukturen, Netzgebilde, Figurationsschemata und fantastische Architekturen bis hin zu den Schachbrettexperimenten von 1913/15. Die Künstlerin kann und will diese Orientierung nicht eins zu eins in ihr Bildvokabular übertragen, aber sie bedenkt diese Vorgaben und projiziert sie auf die heutigen sozialen Gegebenheiten, Zwänge oder auch Bedürfnisse, auf die kommunikativen Notwendigkeiten im Alltag, auf die „Gesellschaft als Netzwerk sozialer Atome“, wie es Max Rauner in einem Spiegel-Beitrag über die Netzwerkforschung ausdrückt. Sie zeigt das Netzwerk als Ergebnis von Schnelligkeit auf, sie klagt diese nicht an, gibt aber zu bedenken, zu welchen derzeit undefinierbaren Ufern der Mensch gedrängt oder gar auf all den Datenhighways geleitet wird. Katja Duftner formuliert: „Unser soziales Denken und Empfinden ist sehr viel langsamer als die Verbindungen technischer Netzwerke. So entstehen durch diese nicht zu harmonisierenden Geschwindigkeiten unweigerlich Konflikte. So rast das Wesen Mensch oft voller Begeisterung in die Überforderung.“
In ihrem Bildkanon werden farblich stark akzentuierte Chiffren von Figuration, Architektur, also Raumeinheiten, plastischen Volumen und einem nicht nur oberflächlich geführten Lineament augenscheinlich. Dem Bildkonzentrat liegt aber eine schon seit den frühen Werken Duftners immanent gegenwärtige Rasterung zugrunde, die einerseits formales Grundnetzwerk, andererseits aber auch Symbol für soziale Netzwerke ist. Diese Verschränkung von Grund- und Bildebenen erschließt ein Raumgefüge, in dem nicht nur Zustände, sondern auch Gefühle wachsen können. Ein plastisch erfahrbares Liniennetz lässt einen Körper wie mit einer neuen Haut ertastbar werden. Was einst zu Verknotungen geführt hat, wird neuerdings durch ein Gespinst von Strukturen durchwachsen. Eine Landschaft wird nicht mehr als Naturprospekt, sondern als vernetztes Gebilde und als Projektionsgebärde für den Betrachter wahrgenommen. Der Betrachter wird mit dem Ausloten und Sehen konfrontiert. Er wird angehalten, seine Schnelllebigkeit zu zügeln und einzutauchen in Empfindungsbereiche von Formen und Farben. Nicht in der Spontaneität sind diese Bildkonzepte erfahrbar, nur im beharrlichen und steten Abtasten und in der Bezugnahme auf die eigene Erfahrungsebene sind sie zu erschließen. Das hat auch mit der Vernachlässigung oder gar Negierung der Zentralperspektive zu tun, die ja bisher all unser Sehen geprägt hat. Duftner löst diese Norm auf und drängt zu neuen Wege der Erfahrung.
In den Neunzigerjahren dominierten bei ihr noch die meist optisch im Blickfeld fixierten Vernetzungen, die wie Kettenglieder, Adern, Stege oder Kanäle das Szenario bestimmten. Heute manifestiert sie Volumen und Raum mit der im Untergrund dominanten Vernetzung, die aber manchmal bewusst durch eine lasierende Malweise sichtbar wird.
Man könnte Duftners Werke wie einen Antwortversuch auf die kritische Anfrage lesen, ob die uns zwangsläufig umgebenden Datenströme in den überall gegenwärtigen Netzwerken nicht zu einer unerträglichen Strafe für die Gefühlswelt des Menschen führen. Vielleicht bietet ja Katja Duftner in ihrem Formenkanon einen Zugang an, den von außen vorgegebenen Bedingungen der Netzwerkverflechtung wenigstens phasenweise gegenzusteuern, also die Muße aufzubringen, sich dem Sehen und damit Verweilen oder – mit dem Modewort zu sprechen – sich der Entschleunigung zu öffnen. Nehmen wir diese Botschaft von Katja Duftners Bilderwelt an, setzen wir auf Zeit!
Text: Gert Ammann