Zur Ausstellung
Siegfried Antonello Schwendtner
07. Juni 2019
Wenn ein Maler einen Musiker bittet, zu seinen Bildern, inspiriert durch Musik, ein paar einleitende Worte zu sagen, wird es schwierig. Es fällt mir schon schwer, über Musik zu reden, lieber mache ich sie. Dennoch hat mich die Idee fasziniert, dass Musik, die ja nur im Rahmen der Zeit lebt, in eine zeitlose Form – das Bild – gegossen werden kann.
Zufälligerweise dirigiere ich Ende des Monats die „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgski. Hier war es der umgekehrte Vorgang: aus den Bildern des Malers Viktor Alexandrowitsch Hartmanns formte Mussorgski seine bildhafte Musik. Siegfried Antonello Schwendtner formt seine Bilder aus der Musik Gustav Mahlers.
Bevor ich auf seinen Gustav Mahler-Zyklus zu sprechen komme, möchte ich noch gerne etwas Persönliches zu unserer Freundschaft erwähnen. Vor ziemlich genau 15 Jahren begegnete ich Siegfried Antonellos Werk zum ersten Male hier in diesem Raum. Aus der Begegnung zu den Bildern wurde eine Begegnung zum Menschen. 2001 wurde ich nach Argentinien eingeladen, fünf Ballettabende zu dirigieren, was ich mit einer ersten Reise zusammen mit meiner Familie verbinden wollte. Die wirtschaftliche Lage in Argentinien war damals fatal und unsicher. Ich fragte Siegfried Antonello, ob er, gerade aus Argentinien zurückgekehrt, Bedenken hätte. Er hatte keine und half mir bei der Entscheidung, die Reise mit meiner Frau und unseren drei jugendlichen Kindern zu wagen. Es war eine wunderbare Reise, die ich Dir mitverdanke. Einziger dunkler Punkt war der Moment, als mich der Verwaltungsdirektor des Teatro Argentino de la Plata in Patacones bezahlen wollte, eine mich an das Monopoly Spiel erinnernde Währung, die man als Übergangslösung eingeführt hatte. Ich bestand auf Dollars, die ich dann auch zähneknirschend erhielt…
Unsere nächste gemeinsame Aktivität war ein Workshop einer argentinischen Malerin und eines argentinischen Musikers für Improvisation. Fünf Musiker und vier Maler arbeiteten eine Woche auf das Ziel hin, am Ende ein gemeinsames Konzert mit Malerei zu geben. Eine Leinwand auf dem Boden, umringt von den Musikern. Die Musik beeinflusst die Malerei, die Malerei die Interpretation der Musiker. Ein interessantes Projekt.
2014 dirigierte ich in Innsbruck Benjamin Brittens „War Requiem“. Siegfried Antonello übernahm die Gestaltung der Projektionen, die wir zur Verdichtung der Aufführung vorgesehen hatten. Ich ließ ihm in der Umsetzung ganz freie Hand, wissend, dass seine Affinität zur Musik seine Arbeit ganz in den Dienst der Musik stellen würde. So war es auch. Ein beglückender Moment für uns beide.
Damit komme ich zu Siegfried Antonellos Mahler-Zyklus. Die 6., 7. ,9. und 10. Symphonie Gustav Mahlers sind Thema seiner Arbeiten. Sein Verhältnis zu Gustav Mahler ist ein über Jahre gewachsenes, intensives Hören dieser genialen Musik, aber auch die Beschäftigung mit seiner Biographie.
Nun gibt es einige Parallelen im Leben der beiden Künstler: Beide hatten nur die Sommer, um künstlerisch arbeiten zu können, beide flüchteten an einen ruhigen, abgelegenen Ort.
Mahlers Orte waren Steinbach am Attersee, Mayernig am Wörthersee und Toblach in Südtirol. In allen stand ganz abgelegen ein winziges „Komponierhäusel“, in dem der Komponist ungestört arbeiten konnte. Siegfried Antonello entdeckte die Provinz Cordoba, westlich von Buenos Aires gelegen, eine naturschöne, abgelegene Gegend. In dem Wechsel der Gegebenheiten erwuchs die Kraft zum schöpferischen Arbeiten.
Die Biographie Gustav Mahlers gibt Anlass für Bezüge in seiner Musik. Inwieweit dies für Siegfried Antonello auch zutrifft, kann ich nicht sagen. Sicher ist, dass die musikalischen Welten, die sich beim Anhören der Musik Gustav Mahlers auftun, eine bildhafte Übertragung bei Siegfried Antonello ausgelöst haben. So finden wir in ihnen die seelischen Abgründe wieder, aber auch die lichten, friedlichen Momente, wie auch die martialischen Märsche, die uns direkt in die Abgründe führen, die diesem Jahrhundert bevorstanden.
Siegfried Antonellos erste Begegnung mit der Musik Mahlers war die 6. Symphonie, was aus pädagogischer Sicht bestimmt nicht die beste Wahl war. Der Eindruck muss aber bestimmend gewesen sein, sodass er sie zur ersten seines Zyklus machte. Es folgte die 7. Symphonie, eine Nachtmusik, fünfsätzig mit einem bestimmenden Scherzo in der Mitte und einem strahlenden fünften Satz in C-Dur.
Die 8. Symphonie hat Siegfried Antonello ausgelassen, sonst hätte er tausend Bilder malen müssen…
Die 9. Symphonie hat Mahler nach dem Tode seiner geliebten Tochter Maria Anna geschrieben, zu Beginn seines Herzleidens. Und zuletzt im Zyklus malt Siegfried Antonello das Adagio aus der 10. unvollendeten Symphonie, die in ihrer Harmonik so weit geht, dass sie richtungsweisend für die Wiener Schule mit Schönberg, Webern und Berg erscheint.
All diesen Kosmos finden Sie in den Bildern wieder, „zum Bild wird hier die Zeit“.
© Claudio Büchler 7. Juni 2019
Ausstellung: bis 28. Juni