20.04.2023
Gastvortrag im Rahmen der Lehrveranstaltung "Translationsmanagement für Übersetzen" unter der Leitung von Mag. Martina Mayer, BA
Übersetzen für Europa
von Mag. Claudia Kropf, Generaldirektion Übersetzung, Wien
Donnerstag, 20.04.2023, 08:30-10:00 Uhr, Seminarraum 3 und online
Organisation:
Mag. Martina Mayer, BA
Institut für Translationswissenschaft
Europa ist ein Kontinent der Mehrsprachigkeit, und in der Europäischen Union haben alle Einwohner:innen das Recht, in ihrer Muttersprache mit den Institutionen der EU zu kommunizieren. Doch nicht nur dadurch entstehen regelmäßig sehr große Übersetzungsvolumina, derer sich tausende von Übersetzer:innen Tag für Tag annehmen. Die EU mit ihren zahlreichen Sprachdiensten ist eine der größten Arbeitgeberinnen für Translator:innen.
Claudia Kropf spricht in ihrem Gastvortrag am INTRAWI über Mehrsprachigkeit in Europa, die Abwicklung von Translationsprozessen in den Sprachdiensten der EU, die Berufschancen dort und die Bewerbungsverfahren.
Diese Veranstaltung ist Teil der Gastvortragsreihe Zukunftsperspektiven & Berufsbilder in der Sprach- und Kulturmittlung.
Übersetzen für Europa
Claudia Kropf ist Sprachbeauftragte in der Vertretung der EU-Kommission in Wien, Mitglied der Generaldirektion Übersetzung (DGT) und hat am 20.4.2023 am Institut für Translationswissenschaft (INTRAWI) einen Vortrag über das Übersetzen in und für Europa gehalten. Die Sprachendienste der EU sind europaweit die größte Einrichtung, die Mehrsprachigkeit und Translationsprozesse verwaltet.
In ihrem Gastvortrag, der im Rahmen des Kurses Translationsmanagement (Leitung: Martina Mayer) organisiert wurde, hat Claudia Kropf die Funktionsweise einer so immensen Übersetzungsabteilung vorgestellt und den vor Ort bzw. auch online teilnehmenden Studierenden und Lehrenden – gestreamt wurde von Partneruniversitäten aus Wien, Graz und Zadar – ein Bild davon vermittelt, wie der Arbeitsalltag dort aussieht. Die von Christos Ellinides geleitete DGT unterteilt sich in mehrere, nach Sprachen geordnete Übersetzungsabteilungen, wobei das Muttersprachprinzip gilt: Alle Übersetzer*innen arbeiten aus Gründen der Qualitätssicherung und der Effizienz ausschließlich aus der Fremdsprache in die Muttersprache. Unterstützend werden diverse Softwares verwendet, zum Beispiel IATE (die Terminologiedatenbank der EU), CAT-Tools oder mit eTranslation auch ein System, das maschinelle Übersetzungen automatisiert erstellt und übrigens Universitäten, Unternehmen usw. ebenfalls zur Verwendung zur Verfügung steht. Dank diesem Technologiemix können die Translator*innen zeitsparend Zieltexte anfertigen, die teils im Post-Editing, teils auf Basis von Vorgängertexten und teils in freier Übersetzung entstehen und dann final lektoriert werden. Dabei ist der Einsatz der Maschinenübersetzung in der DGT nicht verpflichtend, hat sich aber unter den Translator*innen inzwischen sehr etabliert. Kann die Maschine ausreichend gute Übersetzungsarbeit leisten, und braucht es Humantranslation überhaupt noch? Claudia Kropf rief die Studierenden dazu auf, sich als kritische Nutzer*innen von Tools zur maschinellen Übersetzung zu verstehen, weil „die Maschine einen manchmal anlügt und einen Text liefert, der flüssig und gut zu lesen ist – aber trotzdem falsch“. Maschinelle Übersetzung wird also auch in der Europäischen Union, in der hauptsächlich politische Fachtexte zum Klimaschutz, zum Bauwesen, zur Digitalisierung, zur Wirtschaft, zu Außenbeziehungen, zur Demokratie und der europäischen Lebensweise oder Rechtstexte übersetzt werden, Translator*innen aus Fleisch und Blut nicht überflüssig machen; es ändert sich lediglich das Berufs- und Kompetenzprofil, das zur hervorragenden Erledigung der täglich ca. 300 Übersetzungsaufträge nötig ist.
Im Jahr 2022 wurden etwa 2,6 Millionen Seiten im Übersetzungsdienst der Europäischen Kommission übersetzt; im Rekordjahr 2021 waren es gar 2,8 Millionen Seiten, was der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine geschuldet war. Da die Übersetzungsvolumina weiter steigen, arbeitet die DGT über Agenturen, die als Subunternehmerinnen fungieren, auch mit freiberuflichen Übersetzer*innen; etwa 37 % der zu übersetzenden Texte werden ausgelagert. Die Ausgangstexte sind zu 90 % auf Englisch geschrieben; 2,4 % sind auf Französisch verfasst und nur 1% auf Deutsch. Knapp 6 % der Texte sind in den anderen EU-Amtssprachen geschrieben, aber auch EU-externe Sprachen sind gefragt. Derzeit herrscht ein hoher Bedarf an Ukrainisch und Russisch, aber auch indische, arabische oder auf Mandarin verfasste Texte müssen bewältigt werden.
Studierende translationswissenschaftlicher Studiengänge, wie das INTRAWI sie anbietet, haben sehr gute Chancen, an all diesen Prozessen aktiv teilzunehmen: Die DGT sucht regelmäßig Praktikant*innen, Vertragsbedienstete und Beamt*innen. Claudia Kropf hat dem Publikum auch diese attraktiven Berufsperspektiven nähergebracht und ihren Vortrag mit einer Ermutigung beschlossen: „Bewerben Sie sich, trauen Sie sich.“ Das INTRAWI wiederum dankt Claudia Kropf und den Sprachendiensten der EU für die seit Jahren so hervorragende Zusammenarbeit.
Text: Martina Mayer, Institut für Translationswissenschaft
Fotos: Marco Agnetta, Institut für Translationswissenschaft
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