Internationales

 Praktika im Ausland 

Von den Schweizer Alpen über Frankreich bis nach Belgien:
Übersetzen von unterwegs
Erasmus+-Praktikum, Sommer 2023 

 

Durch Zufall war ich Anfang März 2023 über die Stellenausschreibung einer französischen NGO für ein Übersetzungspraktikum gestolpert – ahnungslos, was mich erwarten würde, schickte ich meine Bewerbung ab. Zwei Tage später wurde ich zu einer Schulung nach Mandres-les-Roses, eine Stunde außerhalb von Paris, eingeladen. Dort lernte ich Mitte März die NGO, die naturwissenschaftliche Camps in verschiedenen Ländern organisiert, und das Team kennen.

Vier Monate später saß ich, bereit für das zweimonatige Erasmus+-Praktikum, mit meinem vollen 40-Liter-Rucksack im Zug. Mein Praktikum führte mich in zwei wissenschaftliche Feriencamps der NGO: Drei Wochen verbrachte ich in Chandolin im Val d’Anniviers in der Schweiz und weitere drei Wochen im Zentrum Musiflore in der Nähe von Bourdeaux im Departement Drôme. Dort konnte ich die Arbeit der NGO aus nächster Nähe erleben, selbst an den (wissenschaftlichen) Aktivitäten teilnehmen und inhaltliche Fragen zu den Wissenschaftscamps und der Arbeit der NGO klären.

Meine Hauptaufgaben während des Praktikums bestanden darin, Artikel aus dem Französischen ins Deutsche zu übersetzen und bereits übersetzte Artikel zu lektorieren. Der thematische Bogen spannte sich von Vulkanismus in Hawaii über die Untersuchung von Collembolen in den Bäumen der Provence bis zur Beobachtung von Exoplaneten in den Schweizer Alpen. Neben dem Übersetzen und Lektorieren legte ich zudem selbstständig ein Translation Memory und eine Terminologiedatenbank an. So konnte ich meine Fähigkeiten im Umgang mit CAT-Tools ausbauen und beobachten, wie sich nicht nur meine Effizienz, sondern auch die Qualität der Übersetzungen verbesserte. Auf der Suche nach bestmöglichen Übersetzungen brachten mich Kulturspezifika und technische Begriffe nicht selten an den Rand der Verzweiflung: Ein „éventail à empreintes“ ist eine Art Schablone, um Tierspuren im Erdboden zu identifizieren; „élan“ (in Europa) und „orignal“ (in Nordamerika) sind zwei Begriffe für „Elch“; „la boum“ ist eine Musik- und Tanzparty zum Abschluss eines Camps. Regelmäßig fand ich gravierende Übersetzungsfehler beim Lektorieren oder sogar inhaltliche Fehler in den Ausgangstexten („Le lac Léman est le plus grand lac d’Europe.“; aber: Der Genfersee ist in Wirklichkeit der größte Alpenrandsee und nach dem Plattensee in Ungarn nur der zweitgrößte See Mitteleuropas.). Das bestätigte für mich aufs Neue, dass die Arbeit von Übersetzer:innen viel mehr ist, als einen Ausgangstext in eine andere Sprache zu übertragen. Meine Praktikumsbetreuerin stand stets für Rückfragen zur Verfügung und somit konnte ich die Korrespondenz mit zukünftigen Auftraggeber:innen üben.

Da ich remote arbeitete, nutze ich die Gelegenheit, um mein Praktikum mit einer abwechslungsreichen Interrail-Reise zu verbinden. Diese führte mich von der unberührten Natur der Walliser Alpen, dem „Innsbruck-ähnlichen“ Grenoble, der brütenden Hitze im Departement Drôme (Höchsttemperatur: 48°C im Auto) und der kühlen Meeresluft in Boulogne-sur-Mer im Departement Pas-de-Calais über den Großstadtwahnsinn von Paris und dem Hostel-Lifestyle im charmanten Lille bis zu den Sandstränden von Dunkerque/Dünkirchen. Abschließend besuchte ich zwei Freundinnen in Mons (Belgien) und in Frankfurt am Main, bevor ich nach insgesamt zwei Monaten die finale Heimreise antrat. Dank der ERASMUS+-Förderung waren meine Kosten für Unterkünfte, Zugtickets, Verpflegung, Aktivitäten und Souvenirs während meines unbezahlten Praktikums – zu meiner Erleichterung – auf den Cent genau gedeckt.

Die Kombination aus beruflicher Entwicklung, interkultureller Erfahrung, Selbstständigkeit und der Möglichkeit, verschiedene Orte und Menschen kennenzulernen, machte mein Praktikum zu einer einzigartigen und bereichernden Reise. Zudem habe ich gelernt, wie herausfordernd eine 40-Stunden-Woche sein kann, wie planungsintensiv das Arbeiten von unterwegs ist und wie gerne ich selbstständig arbeite, wo KI noch immer an ihre Grenzen stößt, wie stark die Temperaturen im Sommer in Europa variieren können und dass „Walkie-Talkie“ (aus welchen Gründen auch immer) auf Französisch „Talkie-Walkie“ heißt.

Text: Melanie Wachter

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