Auf den ersten Blick merkwürdig an der fotografischen Praxis des Signal Corps in Tirol ist, dass prominente Akteure des Übergangs nicht abgelichtet wurden. Es fand sich bislang in den National Archives etwa kein Foto von jenem „Exekutivausschuss“ der Tiroler Widerstandsbewegung, der die Offiziere der Cactus Division am Abend des 3. Mai im alten Landhaus begrüßt hatte. Ebenso wenig wird man fündig, wenn man ein offizielles Foto sucht, das den Chef des „Exekutivausschusses“ und ersten provisorischen Landeshauptmann Karl Gruber mit US-Offizieren zeigt. Warum?
Die für Militärregierungs-Abteilungen der drei US-Divisionen relevanten einheimischen Akteure waren die Bürgermeister und Bevollmächtigte auf der Bezirksebene (bisher Landkreise). Sie wurden von den Militärbehörden zum Teil mit Hilfe von lokalen NS-Gegnern bestimmt.
Eines gemeinsamen Fotos wert befunden wurden in Innsbruck heute kaum bekannte Beamte der alten Landes- und Gauverwaltung, die mit wenigen Ausnahmen „im guten Glauben“ ihre Stellen behielten. Auf dem ersten Foto ist Josef Walter zu sehen (1. Reihe mit Hut), nachdem er am 11. Mai zum Bevollmächtigten der amerikanischen Militärregierung für den Kreis Innsbruck („Landrat“) ernannt wurde. Seine MitarbeiterInnen und er bildeten das Gegenüber der Militärregierung.
Die zweite essenzielle Ebene der Kooperation war die Stadtverwaltung. Anlässlich einer Konferenz über den Wiederaufbau rückten die Offiziere der Militärregierung mit Bürgermeister Anton Melzer (vorne, 2. v. r.), einem NS-Gegner und Gestapo-Häftling, und dessen MitarbeiterInnen am 29. Mai 1945 für ein Foto zusammen.
Auffallend ist, dass auf beiden Gruppenfotos Frauen (Sekretärinnen und Dolmetscherinnen) zu sehen sind. Hier zeigt sich eine Differenz zur weitgehend monogeschlechtlichen Bilderwelt der österreichischen Nachkriegspolitik.
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