ANTWORT
von Univ.-Prof. Mag. Dr. Walter Obwexer
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Nach dem sog „Schengener Grenzkodex“ sind Kontrollen an den Binnengrenzen der Schengen-Staaten nur noch ausnahmsweise und vorübergehend erlaubt. Auf diese Ausnahmeregelung stützen sich Deutschland und Österreich, die seit Herbst 2015 an bestimmten Abschnitten ihrer Binnengrenzen Personenkontrollen durchführen.
Beide Mitgliedstaaten haben erst im April dieses Jahres der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie beabsichtigen, die Binnengrenzkontrollen um weitere sechs Monate (bis November 2019) zu verlängern. Die vorübergehende Durchführung der Binnengrenzkontrollen wurde zunächst – ausgehend von den Migrationsbewegungen des Jahres 2015 – mit einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit begründet. Die in der Folge gesetzten Maßnahmen, ua die Verbesserung der Kontrollen an den Außengrenzen, haben die Migrationsbewegungen nach Europa sukzessive reduziert. Diese lösten damit keine ernsthafte Bedrohung für Deutschland und Österreich mehr aus und konnten die Binnengrenzkontrollen nicht mehr rechtfertigen. Beide Staaten sahen aber in der steigenden Sekundärmigration, das heißt in der Migration von einem EU-Mitgliedstaat zu einem anderen, einen neuen Grund für vorübergehende Binnengrenzkontrollen. Im Herbst 2017 teilten sie erstmals der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten diesen Grund für die Verlängerung ihrer Binnengrenzkontrollen mit.
Die Kommission hat dazu bislang keine negative Stellungnahme abgegeben, obwohl begründete Zweifel bestehen, dass die Sekundärmigration für Deutschland und Österreich – wie von beiden Staaten behauptet – weiterhin eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit darstellt.
Die Kommission könnte als Antwort auf die letzte Mitteilung über die beabsichtigte Verlängerung der Binnengrenzkontrollen durch Deutschland und Österreich eine negative Stellungnahme abgeben und beide Staaten an der Weiterführung dieser Kontrollen hindern. Aus rein rechtlicher Sicht wäre das auch die richtige Vorgehensweise. Die Kommission ist allerdings ein politisches Organ und kann auch andere Gesichtspunkte berücksichtigen.