Robert Bresson
(1901-1999)

Sonderseite zum

100. Geburtstag

Am 25. September 2001, wäre Robert Bresson 100 Jahre geworden. Wir bringen Auszüge aus drei Artikeln, die den cineastischen Querdenker aus gegebenem Anlass gebührend würdigen:

»Man begreift Bressons Kinematographenkunst am leichtesten durch den Gegensatz zu dem Kino, das wir kennen. Andere Filme erzählen Geschichten. Bressons Filme protokollieren ein Geschehen. Andere Filme glänzen durch Dekors, Effekte und Schauspielerei. Bressons Filme glänzen durch die Anmut ihrer Laiendarsteller. Andere Filme rühren uns. Bressons Filme erschüttern uns. Die Inbrunst, mit der sie ihre Gegenstände anschauen, reißt jenen Schleier aus Begriffen und Abbildern weg, der sie sonst verhüllt. ...
Heute ist Bresson, nicht anders wie sein italienischer Antipode Pier Paolo Pasolini, in Europa allmählich vergessen. Der Österreicher Michael Haneke und der Finne Aki Kaurismäki, Außenseiter wie er, setzen auf je verschiedene Weise Bressons humanistisches Kino fort, aber der Markt gehört den Gegnern des Kinematographenfilms, den Gauklern, Lügnern und Taschenspielern. Das "Erschauern der Bilder, die Aufwachen", von dem er gesprochen hat, haben wir lange nicht merh gesehen. Um es wiederzufinden, müßte das Kino sich von seinen liebsten Gewohnheiten verabschieden. Das gelingt im nicht. Es holt Bresson niemals ein. So bleibt er sein Prophet.«

aus: Andreas Kilb, "Der Maler der Hand und des Auges. Zum 100. Geburtstag des französischen Filmregisseurs Robert Bresson." In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. September 2001, S. 53 (Artikel online nur über FAZ-Archiv verfügbar)


»Was sie [die Filme Bressons] unvergesslich macht, ist das offenbare Geheimnis des "Kinematographen". Weil sie unserer Phantasie bedürfen, um mehr zu sein als die pure Erscheinung auf der Leinwand, haben sich die Bilder Bressons in uns eingegraben. Wie er von Debussy sagen konnte, er spiele selbst mit geschlossenem Klavier, so spielen seine Filme mit unserer Einbildungskraft, spielen die Bilder mit unseren geschlossenen Augen, spielen die Töne mit unserem Gedächtnis. "Der Tonfilm", hat er gesagt, "hat die Stille erfunden."
Wie bis heute kein Filmemacher auf der Suche nach sich selbst und einer eigenen Sprache an Robert Bressons Werk vorbei gehen kann, so hatten ihn schon die jungen Cineasten der Nouvelle Vague verehrt, die gleichwohl die Distanz respektierten, die Bresson immer für sich eingefordert hat. Truffaut schrieb von ihm, er habe "in allem die Gegenposition zu den existierenden Kinoformen eingenommen", und für Godard war er "das französische Kino wie Dostojewski der russische Roman, wie Mozart die deutsche Musik.«

aus: Peter W. Jansen, "Mit geschlossenen Augen. Dem französischen Filmregisseur Robert Bresson zum Hundertsten Geburtstag." In: Frankfurter Rundschau, 25. September 2001. (Artikel online nur über FR-Archiv verfügbar)


»Es gibt niemanden, der sich mit ihm vergleichen lässt. Sein Stil, die «écriture», wie er selber sagte, ist einzigartig und unverwechselbar. Es gibt kaum einen Filmemacher, der in ihm nicht das Vorbild schlechthin sehen würde, und kaum jemanden, der nicht irgendwann durch seine imaginäre Schule gegangen wäre. Trotzdem hat er Schule so wenig gemacht, wie er selber einer anderen Schule als der eigenen verpflichtet gewesen wäre. ...
Seine Theorie ist in den Mitte der siebziger Jahre publizierten «Notes sur le cinématographe» niedergelegt, in einem schmalen, 80 Seiten umfassenden Bändchen, das selbst dem Prinzip des Minimalismus folgt. ... "Der Cinematograph zeigt sein Wesen in dem Moment, in dem zwei Bilder auf eine gewisse Art plötzlich miteinander in Kontakt kommen, sich verändern. Denn es gibt keine Kunst ohne Transformation."»

aus: Peter W. Jansen, "Ein unerbittlicher Moralist. Zum hundertsten Geburtstag von Robert Bresson." In: Neue Zürcher Zeitung, 25. September 2001, S. 34


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