Robert Bresson (1901-1999)
Geboren wird Bresson in einem Dorf in der
Auvergne, wo er die ersten Jahre seiner
Kindheit verbringt; 1915 zieht die Familie nach
Paris. Zunächst beginnt er, Literatur und
Philosophie zu studieren, strebt dann aber eine
Karriere als Maler an.
1933 kommt er auch mit dem Film in Berührung.
Nach ersten Gelegenheitsarbeiten, u.a. als
Dialogautor, dreht er 1934 seinen ersten
mittellangen Spielfilm Les affaires
publiques, eine kurze avantgardistische
Komödie, von der keine Kopien mehr
existieren.1 Er arbeitet an
Drehbüchern mit (u.a. "Les Jumeaux de
brighton", 1936, von Claude Heyman). Als
Assistent von René Clair ist er in das Projekt
"Air pur" involviert, das aufgrund des
Kriegsausbruchs unvollendet bleibt. 1940-1941
verbringt er 18 Monate in deutscher
Kriegsgefangenschaft.
Nach seiner Rückkehr nach Paris macht er die
Bekanntschaft des 'Film-Paters' R.L.
Bruckberger, der ihm ein Projekt über die
Dominikanerinnen-Kongregation der Schwestern
von Bethanien vorschlägt. Mit Bruckberger und
dem Dramatiker Jean Giraudoux entwickelte
Bresson das Drehbuch zu Les anges du
péché (1943). Erzählt wird die
Geschichte einer jungen Dominikanerin, die sich
aufopfert, um eine Mörderin zum Glauben zu
bekehren. Nicht nur wegen der religiösen
Thematik der "Seelen-Rettung", sondern auch in
der formalen Umsetzung deutet sich hier das
Charakteristische an Bressons Werk an. Die
Kargheit der Bilder, die Konzentration auf das
Beiläufige, die Wahl der Bildausschnitte deuten
den "transzendentalen Stil" (Paul Schrader) an,
der durch Weglassung den Freiraum für
transzendente Dimensionen eröffnet.
Der nächste Film entsteht nach einer
literarischen Vorlage, einer Episode aus
Diderots Roman "Jacques le fataliste".
Les Dames du Bois de Boulogne (1945)
ist eine Geschichte um Liebe und Intrigen, die
beim beim Publikum nicht gut ankommt. Erst fünf
Jahre später kann Bresson eine weitere
Literaturverfilmung realisieren, die ihm
endgültig seinen Platz in der Filmgeschichte
sichert.
Journal
d'un curé de campagne (1951) nach dem
gleichnamigen Roman von Geoges Bernanos,
erzählt die Geschichte eines jungen Pfarrers,
der von Krankheit und Zweifeln geplagt ist. Der
Film endet mit einer langen Einstellung auf den
Schatten des Kreuzes und den letzten Worten des
verstorbenen Priesters "Alles ist Gnade".
Die gleiche Meisterschaft zeigt Bresson in
Un
condamné à mort s'est échappé (1956)
über die Flucht eines französischen
Widerstandskämpfers aus einem deutschen
Gefängnis. Der Film, der den immer gleichen
Gefängnisalltag und die Fluchtvorbereitungen
schildert, ist gleichzeitig eine Parabel auf
die christliche Hoffnung.
Pickpocket (1959) erzählt die
Geschichte eines Mannes, der aus Armut zum Dieb
wird und durch die Liebe zu einer Frau den Weg
der Umkehr findet. Die Diskussion über die
religiöse Dimension des Bresson'schen Werkes
deutet Bresson gerade im Hinblick auf den
letzten Film als Jansenisten, einen Vertreter
der Lehre des niederländischen Bischofs Jansen
(1585-1638), daß die Gnade Gottes auch und
gerade gegen den Willen des betroffenen Sünders
ihre Wirkung erweist. Explizite religiöse
Bezüge weisen die nächsten Projekte
auf.
Le Procès
de Jeanne d'Arc (1962) unter
ausschließlicher Verwendung der Prozeßakten die
Gerichtsverhandlung gegen die Jungfrau von
Orleans. Au hasard
Balthasar (1966) erzählt eine
Passionsgeschichte aus ungewöhnlicher
Perspektive: "Held" des Films ist ein Esel, der
die Erfahrung von Unmenschlichkeit und Gewalt
macht und am Ende durch eine Kugel stirbt. In
Mouchette (1967) greift Bresson
wieder auf eine Vorlage von Georges Bernanos
zurück.
Une
femme douce (1969) entsteht nach einer
Vorlage von Dostojewski und ist Bressons erster
Farbfilm. Auch der nächste Werk, Quatre nuits d'un
reveur (1972), geht auf eine Vorlage von
Dostojewski zurück. Lancelot du
Lac (1974) ist eine eigenwillige
Bearbeitung der Sagen aus dem Arthus-Mythos:
Bresson liefert keinen Historienfilm, sondern
die Darstellung einer Gesellschaft, die dem
Untergang geweiht ist.
Pessimistisch bleibt Bresson auch in seinen
letzten Filmen. Le diable
probablement (1977) erzählt die
verstörende Geschichte eines Jugendlichen, der
seinem Leben gewaltsam ein Ende setzt. Ohne
Erlösung bleibt auch die Hauptfigur in
L'argent (1983), ein Mann, der zum
Mörder an seiner Familie wird, was Bresson als
Folge der vernichtenden Kraft des Bösen zeigt.
Bresson lebt seither
zurückgezogen.2
Peter Hasenberg
(KIM)
1
Bressons erster Film ist inzwischen wieder
aufgetaucht, jedoch nur über die
Cinémathèque de Paris zugänglich
[D.R.]
2
Bresson starb im Dezember 1999 in Paris [D.R.]
Quelle: Lexikon des
internationalen Films 1999/2000
Anm. und Bildzusammenstellung: Dietmar
Regensburger