Robert Bresson - Visionär jenseits
 des Mainstreams

Filmretrospektive 11.-18. Mai 2001
im Leo-Kino Innsbuck/Austria


STIMMEN ZU ROBERT BRESSON


Robert Bresson Biography

ZU SEINEM WERK

 


»Es gibt eine ganze Reihe von Filmemachern, die ich bewundere: Bergman, Fassbinder, Cassavetes, Visconti, Mizoguchi, Rhomer, Scorsese, Dreyer, Rosselini, Pasolini, Renoir, Tarkowsky, um nur jene zu nennen, die mir gerade einfallen. Aber Bresson ist für mich eine Kategorie für sich. Er ist, was mich an die Möglichkeiten des Kinos glauben lässt. In Momenten der Entmutigung ist er es, der mich daran erinnert, was große Filme sein können ...«
Olivier Assayas

»In den letzten zehn Jahren ist der Name Bresson ein Wort für Reinheit geworden, ein Wesen, eine Art filmisches Manifest für poetische Strenge. Bressonian bedeutete für mich und für meine Freunde die ultimative, moralische, unerreichbare, sublime, bestrafende kinematographische Anspannung. Bestrafend, weil seine Filme strenge, sinnliche Erfahrungen sind, ohne jegliche Erleichterung (abgesehen von dem ästhetischen Vergnügen - selbst wiederum eine überwältigende Erfahrung).«
Bernardo Bertolucci

»Bresson ist isoliert in seinem schrecklichen Beruf. Wie ein Poet mit seiner Feder so drückt sich Bresson kinematographisch aus. Tief ist der Abgrund zwischen seiner Noblesse, seinem Schweigen, seinem Ernst, seinen Träumen und dem Rest der Welt, die diese für Unsicherheit und Obsession halten.«
Jean Cocteau

»Man könnte sagen, dass das Kino bis Bresson parasitär war, abgeleitet von den anderen Künsten. Mit ihm kam ein reines Kino...«
Marguerite Duras

»Die Fragen, die Bresson stellt, werden niemals unwichtig sein.«
Rainer Werner Fassbinder

»Bresson ist französisches Kino, wie Dostojewskij der Russische Roman und Mozart deutsche Musik.«
Jean Luc Godard

»Alles in allem, ich hätte keinen einzigen Tag in dieser gottverlassenen Welt überlebt ohne die realistischen Lügen von Robert Bresson, wofür ich ihm immer dankbar sein werde bis zu meinem Tod und darüber hinaus.«
Aki Kaurismäki

»Ich wollte eigentlich nie eine Regieassistent sein. Der einzige Grund, warum ich mit Bresson arbeitete, war, dass ich ihn bewunderte.«
Louis Malle

»Es gibt eine billige Dynamik, die heute in Filmen leicht zu erreichen ist durch eine Reihe von technologischen Innovationen, aber bei Bresson da haben sie eine wahre Dynamik, hervorgerufen durch eine elementare Beziehung zwischen Bild und Ton. Er hat einige der atemberaubendsten Szenen des Kinos geschaffen - etwa jene mit den Taschendieben auf der Rennbahn in PICKPOCKET; Jeannes Verbrennung am Scheiterhaufen in JEANNE D'ARC; das finale Massaker in L'ARGENT.«
Martin Scorsese

»Einst als die neue Hoffnung des französischen Kinos gehandelt, wird Bresson heute etikettiert als esoterischer Regisseur. Er hatte niemals jene Aufmerksamkeit des kunstbeflissenen Publikums, wie sie etwa Bunuel, Bergman oder Fellini zuteil wurde - obwohl er ein weit größerer Regisseur ist als diese.«
Susan Sontag

»Sein Kino liegt viel näher an der Malerei als an der Photographie.«
François Truffaut

»Wie viele von uns Regisseuren arbeiten doch nur mit geschickten Kunstgriffen und Tricks; etwas, aus dem man hübsche kleine Bonbons machen kann. Ihnen genügt es nicht, dass es das Kino gibt, sie müssen daraus noch irgendetwas Bedeutsames machen. Bresson dagegen ist ein Genie. Aber, wenn er an erster Stelle kommt, so kommt der nächste Regisseur etwa an zehnter Stelle – die Kluft ist wirklich gewaltig.«
Andreij Tarkowskij

»Die Vollendung erreicht nur der, der auf alle Mittel verzichtet, die zu einer bewussten Übertreibung führen.«
Paul Valéry (in direktem Bezug auf Bresson)


A. Tarkowskij, R. Bresson
1983 in Cannes

ZU SEINEN FILMEN

 

JOURNAL D'UN CURÉ DE CAMPAGNE (1951)

»Ich mag TAGEBUCH EINES LANDPFARRERS unerhört gern, es ist eines der bemerkenswertesten Werke, die je geschaffen worden sind. LICHT IM WINTER ist ziemlich stark davon beinflusst.«
Ingmar Bergman

Jean Renoir sagt oft, das Kino sei eine geheimnisvollere Kunst als die Malerei und ein Film werde für drei Leute gemacht; Leute, für die Bressons Werk ohne Geheimnis wäre, gibt es in der ganzen Welt sicher keine drei. Die ganze Verantwortungslosigkeit der Tageskritiker gehörte dazu, beim JOURNAL D'UN CURÉ DE CAMPAGNE von Schwächen in der Darstellung zu reden. Das Spiel der Darsteller bei Bresson liegt jenseits von richtig oder falsch. Es suggeriert ganz wesentlich eine zeitlose Haltung, ein Verfassung, eine »Schwierigkeit zu sein«, eine Qualität des Leidens. Vielleicht ist Robert Bresson ein umgekehrter Alchimist: Er geht von der Bewegung aus und hat Bewegungslosigkeit zum Ziel, sein Sieb lässt das Gold durch, um den Sand zu sammeln.
François Truffaut

UN CONDAMNÉ À MORT S'EST ÉCHAPPÉ (1956)

»UNE CONDAMNÉ À MORT war der Beginn seiner größten Periode, dann machte er PICKPOCKET, BALTHAZAR, MOUCHETTE und all diese großartigen Filme der nächsten Dekade.«
Louis Malle

»Es ist eine seltsame Erfahrung einen Bresson-Film heute zu sehen, da der größte Teil des gegenwärtigen Populärkinos so groß, laut, schnell und, in vielen Fällen, sogar grotesk ist. Mit anderen Worten, die exakte Antithese zu Bressons Kino. Ich sah UNE CONDAMNÉ ... kürzlich wieder, er ist eine so vollkommen reine Erfahrung, gänzlich ohne jede Unwesentlichkeit - er funktioniert wie eine empfindliche und perfekt kalibrierte, von Hand gefertigte Maschine.«
Martin Scorsese

»Für mich ist UN CONDAMNÉ À MORT S'EST ÉCHAPPÉ nicht nur Bressons schönster Film, sondern der entscheidendste französische Film der letzten zehn Jahre. Es gibt in der Kunst des Films ganz bestimmt etwas Neues zu entdecken, etwas, das mit UN CONDAMNÉ À MORT S'EST ÉCHAPPÉ zu tun hat. Dies ist einer von den Filmen, über die man sagen kann, dass es darin keine überflüssige Einstellung gibt, keine Einstellung, die man umsetzen oder verkürzen könnte, kurz, er ist das Gegenteil eines Films, der »beim Schnitt entsteht.«
François Truffaut


PICKPOCKET (1959)

»Bresson zeigt uns ohne jeglichen erzählerischen Kunstgriff den inneren Zwang, der den Dieb in das Maul des Löwen treibt, und die Macht der Liebe, die ihn befreit, trotz der Gitterstäbe seiner Zelle.«
Jean Cocteau

»Einer der vier oder fünf ganz großen Meilensteine in der Filmgeschichte. Es ist ein Film voll tiefer Inspiration, frei, instinktiv, brennend, irritierend.«
Louis Malle

»Die Schönheit von Robert Bressons Filmen PICKPOCKET und PROCÈS DE JEANNE D'ARC ist eine der reinen Information. Es scheint, dass kein anderer Filmemacher jemals - so leidenschaftlich - eine so direkte Kommunikation mit dem Betrachter (gemeint ist hier ein Verhältnis der Gleichheit, nicht das einer Unterordnung, wie etwa bei Hitchcock) gesucht hat. Selbst Bunuel und Rosselini, die ihm in dieser Hinsicht am nächsten stehen, erscheinen neben Bresson rhetorisch.«
Jaques Rivette

»Meine erste Liebe im Kino galt dem intellektuellen Europäischen Kino: Bergman, Resnais, Godard, Antonioni, Bunuel. Ich "studierte" diese Filme. Sie bewegten meinen Intellekt mehr als mein Herz. PICKPOCKET strömte durch meinen Verstand in mein Herz. Es war als ob meine Seele entjungfert worden wäre.«
Paul Schrader

LE PROCÈS DE JEANNE D'ARC (1962)

«Als herausragendes Filmwerk ist da DER PROZESS DER JEANNE D'ARC zu nennen - etwas ganz Unglaubliches. Jeanne d'Arc kommt aus dem Gefängnis. Totale - sie geht vorüber, setzt sich an den Tisch, und ihr gegenüber sitzt der Untersuchungsrichter, ein Priester. Schuss - Gegenschuss; sie sagt irgend etwas - er sagt irgend etwas, danach ist das Verhör beendet. Die darauffolgende Episode gleicht dieser aufs Haar. Die dritte und vierte ebenso. Ein Minimum an Mitteln ...«
Andreij Tarkowskij

AU HAZARD BALTHAZAR (1966)

»Es ist bestimmt der einzige Film, den ich gesehen habe, der am besten einen einzigartigen, daher exakten Akt der Schöpfung darstellt. All das gegenwärtige Kino - sogar gutes Kino - erscheint im Vergleich dazu konventionell, dumm ...«
Marguerite Duras

»Jeder, der diesen Film sieht, wird gänzlich erstaunt sein, denn dieser Film ist die Welt in eineinhalb Stunden.«
Jean-Luc Godard

»Der Film schlug in unserem Seminar ein wie ein aus fernen Welten abgestürztes Ufo und spaltete uns in fanatische Anhänger und wütende Gegner: provokant, fremd und überraschend, brach er mit allen Goldregeln des Mainstreamkinos diesseits und jenseits des großen Ozeans ebenso wie mit jenen des sogenannten europäischen "Kunstfilms" und war doch in geradezu erschreckender Weise vollendet in seiner absoluten Identität von Inhalt und Form.«
Michael Haneke

MOUCHETTE (1967)

»Ich fühle eine ziemlich starke Affinität zu Bernanos und zu Bressons MOUCHETTE. Das ist der Film, den ich damals hätte machen wollen, den ich aber nicht machen konnte und den nicht verstand. Da ist das Motiv klar ausgesprochen und gereinigt. ... Während GEFÄNGNIS voller Absonderlichkeiten und Abschweifungen, Luftsprünge und Koketterien ist, ist MOUCHETTE klar wie Wasser. Das reine Kunstwerk.«
Ingmar Bergman

 

L'ARGENT (1983)

»L'ARGENT ist das Zeugnis eines Regisseurs in seinen Achtzigern. Es ist ebenso der Film über einen radikalen jungen Mann, in welchem alles gesagt wird, ohne jedes Zugeständnis an den herrschenden Geschmack, seine Augen weit geöffnet für die Realität. Sehen Sie auf die Bilder, mit denen er uns zurücklässt: Eine Welt, die die unsere ist.«
Olivier Assayas

»Wenn Erziehung als etwas verstanden wird, das es uns ermöglicht die Beziehung zwischen Aktion und Konsequenz zu verstehen, dann ist Bresson ein großartiger Lehrer.«
Atom Egoyan

»Das letzte Mal, dass ich ihm Kino wirklich bewegt war, war als ich Bressons L'ARGENT sah.«
Aki Kaurismäki

Quelle:
Die Texte sind großteils entnommen aus:
Robert Bresson. Edited by James Quandt. Indiana University Press, 1999.

Textzusammenstellung und Übersetzungen:
Dr. Dietmar Regensburger, Universität Innsbruck


© 2001 Web-Publishing: Dietmar Regensburger, University of Innsbruck

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