Robert
Bresson - Visionär jenseits
Filmretrospektive 11.-18. Mai
2001
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ZU SEINEM WERK |
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»In den letzten
zehn Jahren ist der Name Bresson ein Wort für
Reinheit geworden, ein Wesen, eine Art
filmisches Manifest für poetische
Strenge. Bressonian bedeutete für mich
und für meine Freunde die ultimative,
moralische, unerreichbare, sublime, bestrafende
kinematographische Anspannung. Bestrafend, weil
seine Filme strenge, sinnliche Erfahrungen
sind, ohne jegliche Erleichterung (abgesehen
von dem ästhetischen Vergnügen - selbst
wiederum eine überwältigende Erfahrung).«
»Bresson ist
isoliert in seinem schrecklichen Beruf. Wie ein
Poet mit seiner Feder so drückt sich Bresson
kinematographisch aus. Tief ist der Abgrund
zwischen seiner Noblesse, seinem Schweigen,
seinem Ernst, seinen Träumen und dem Rest der
Welt, die diese für Unsicherheit und Obsession
halten.«
»Man könnte
sagen, dass das Kino bis Bresson parasitär war,
abgeleitet von den anderen Künsten. Mit ihm kam
ein reines Kino...«
»Die Fragen, die
Bresson stellt, werden niemals unwichtig sein.«
»Bresson ist
französisches Kino, wie Dostojewskij der
Russische Roman und Mozart deutsche Musik.«
»Alles in allem,
ich hätte keinen einzigen Tag in dieser
gottverlassenen Welt überlebt ohne die
realistischen Lügen von Robert Bresson, wofür
ich ihm immer dankbar sein werde bis zu meinem
Tod und darüber hinaus.«
»Ich wollte
eigentlich nie eine Regieassistent sein. Der
einzige Grund, warum ich mit Bresson arbeitete,
war, dass ich ihn bewunderte.«
»Es gibt eine
billige Dynamik, die heute in Filmen leicht zu
erreichen ist durch eine Reihe von
technologischen Innovationen, aber bei Bresson
da haben sie eine wahre Dynamik, hervorgerufen
durch eine elementare Beziehung zwischen Bild
und Ton. Er hat einige der atemberaubendsten
Szenen des Kinos geschaffen - etwa jene mit den
Taschendieben auf der Rennbahn in PICKPOCKET;
Jeannes Verbrennung am Scheiterhaufen in JEANNE
D'ARC; das finale Massaker in L'ARGENT.«
»Einst als die
neue Hoffnung des französischen Kinos
gehandelt, wird Bresson heute etikettiert als
esoterischer Regisseur. Er hatte niemals jene
Aufmerksamkeit des kunstbeflissenen Publikums,
wie sie etwa Bunuel, Bergman oder Fellini
zuteil wurde - obwohl er ein weit größerer
Regisseur ist als diese.«
»Sein Kino liegt
viel näher an der Malerei als an der
Photographie.«
»Wie viele von
uns Regisseuren arbeiten doch nur mit
geschickten Kunstgriffen und Tricks; etwas, aus
dem man hübsche kleine Bonbons machen kann.
Ihnen genügt es nicht, dass es das Kino gibt,
sie müssen daraus noch irgendetwas Bedeutsames
machen. Bresson dagegen ist ein Genie. Aber,
wenn er an erster Stelle kommt, so kommt der
nächste Regisseur etwa an zehnter Stelle
die Kluft ist wirklich gewaltig.«
»Die Vollendung
erreicht nur der, der auf alle Mittel
verzichtet, die zu einer bewussten Übertreibung
führen.«
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ZU SEINEN FILMEN |
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JOURNAL D'UN CURÉ DE CAMPAGNE (1951) »Ich mag
TAGEBUCH EINES LANDPFARRERS unerhört gern, es
ist eines der bemerkenswertesten Werke, die je
geschaffen worden sind. LICHT IM WINTER ist
ziemlich stark davon beinflusst.«
Jean Renoir sagt
oft, das Kino sei eine geheimnisvollere Kunst
als die Malerei und ein Film werde für drei
Leute gemacht; Leute, für die Bressons Werk
ohne Geheimnis wäre, gibt es in der ganzen Welt
sicher keine drei. Die ganze
Verantwortungslosigkeit der Tageskritiker
gehörte dazu, beim JOURNAL D'UN CURÉ DE
CAMPAGNE von Schwächen in der Darstellung zu
reden. Das Spiel der Darsteller bei Bresson
liegt jenseits von richtig oder falsch. Es
suggeriert ganz wesentlich eine zeitlose
Haltung, ein Verfassung, eine »Schwierigkeit zu
sein«, eine Qualität des Leidens. Vielleicht
ist Robert Bresson ein umgekehrter Alchimist:
Er geht von der Bewegung aus und hat
Bewegungslosigkeit zum Ziel, sein Sieb lässt
das Gold durch, um den Sand zu sammeln.
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UN CONDAMNÉ À MORT S'EST ÉCHAPPÉ (1956) »UNE CONDAMNÉ À
MORT war der Beginn seiner größten Periode,
dann machte er PICKPOCKET, BALTHAZAR, MOUCHETTE
und all diese großartigen Filme der nächsten
Dekade.«
»Es ist eine
seltsame Erfahrung einen Bresson-Film heute zu
sehen, da der größte Teil des gegenwärtigen
Populärkinos so groß, laut, schnell und, in
vielen Fällen, sogar grotesk ist. Mit anderen
Worten, die exakte Antithese zu Bressons Kino.
Ich sah UNE CONDAMNÉ ... kürzlich wieder, er
ist eine so vollkommen reine Erfahrung,
gänzlich ohne jede Unwesentlichkeit - er
funktioniert wie eine empfindliche und perfekt
kalibrierte, von Hand gefertigte Maschine.«
»Für mich ist UN
CONDAMNÉ À MORT S'EST ÉCHAPPÉ nicht nur
Bressons schönster Film, sondern der
entscheidendste französische Film der letzten
zehn Jahre. Es gibt in der Kunst des Films ganz
bestimmt etwas Neues zu entdecken, etwas, das
mit UN CONDAMNÉ À MORT S'EST ÉCHAPPÉ zu tun
hat. Dies ist einer von den Filmen, über die
man sagen kann, dass es darin keine
überflüssige Einstellung gibt, keine
Einstellung, die man umsetzen oder verkürzen
könnte, kurz, er ist das Gegenteil eines Films,
der »beim Schnitt entsteht.«
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PICKPOCKET (1959) »Bresson zeigt
uns ohne jeglichen erzählerischen Kunstgriff
den inneren Zwang, der den Dieb in das Maul des
Löwen treibt, und die Macht der Liebe, die ihn
befreit, trotz der Gitterstäbe seiner Zelle.«
»Einer der vier
oder fünf ganz großen Meilensteine in der
Filmgeschichte. Es ist ein Film voll tiefer
Inspiration, frei, instinktiv, brennend,
irritierend.«
»Die Schönheit
von Robert Bressons Filmen PICKPOCKET und
PROCÈS DE JEANNE D'ARC ist eine der reinen
Information. Es scheint, dass kein anderer
Filmemacher jemals - so leidenschaftlich - eine
so direkte Kommunikation mit dem Betrachter
(gemeint ist hier ein Verhältnis der
Gleichheit, nicht das einer Unterordnung, wie
etwa bei Hitchcock) gesucht hat. Selbst Bunuel
und Rosselini, die ihm in dieser Hinsicht am
nächsten stehen, erscheinen neben Bresson
rhetorisch.«
»Meine erste
Liebe im Kino galt dem intellektuellen
Europäischen Kino: Bergman, Resnais, Godard,
Antonioni, Bunuel. Ich "studierte" diese Filme.
Sie bewegten meinen Intellekt mehr als mein
Herz. PICKPOCKET strömte durch meinen Verstand
in mein Herz. Es war als ob meine Seele
entjungfert worden wäre.«
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LE PROCÈS DE JEANNE D'ARC (1962) «Als
herausragendes Filmwerk ist da DER PROZESS DER
JEANNE D'ARC zu nennen - etwas ganz
Unglaubliches. Jeanne d'Arc kommt aus dem
Gefängnis. Totale - sie geht vorüber, setzt
sich an den Tisch, und ihr gegenüber sitzt der
Untersuchungsrichter, ein Priester. Schuss -
Gegenschuss; sie sagt irgend etwas - er sagt
irgend etwas, danach ist das Verhör beendet.
Die darauffolgende Episode gleicht dieser aufs
Haar. Die dritte und vierte ebenso. Ein Minimum
an Mitteln ...«
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AU HAZARD BALTHAZAR (1966) »Es ist bestimmt
der einzige Film, den ich gesehen habe, der am
besten einen einzigartigen, daher exakten Akt
der Schöpfung darstellt. All das gegenwärtige
Kino - sogar gutes Kino - erscheint im
Vergleich dazu konventionell, dumm ...«
»Jeder, der
diesen Film sieht, wird gänzlich erstaunt sein,
denn dieser Film ist die Welt in eineinhalb
Stunden.«
»Der Film schlug
in unserem Seminar ein wie ein aus fernen
Welten abgestürztes Ufo und spaltete uns in
fanatische Anhänger und wütende Gegner:
provokant, fremd und überraschend, brach er mit
allen Goldregeln des Mainstreamkinos diesseits
und jenseits des großen Ozeans ebenso wie mit
jenen des sogenannten europäischen "Kunstfilms"
und war doch in geradezu erschreckender Weise
vollendet in seiner absoluten Identität von
Inhalt und Form.«
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MOUCHETTE (1967) »Ich fühle eine
ziemlich starke Affinität zu Bernanos und zu
Bressons MOUCHETTE. Das ist der Film, den ich
damals hätte machen wollen, den ich aber nicht
machen konnte und den nicht verstand. Da ist
das Motiv klar ausgesprochen und gereinigt. ...
Während GEFÄNGNIS voller Absonderlichkeiten und
Abschweifungen, Luftsprünge und Koketterien
ist, ist MOUCHETTE klar wie Wasser. Das reine
Kunstwerk.«
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L'ARGENT (1983) »L'ARGENT ist
das Zeugnis eines Regisseurs in seinen
Achtzigern. Es ist ebenso der Film über einen
radikalen jungen Mann, in welchem alles gesagt
wird, ohne jedes Zugeständnis an den
herrschenden Geschmack, seine Augen weit
geöffnet für die Realität. Sehen Sie auf die
Bilder, mit denen er uns zurücklässt: Eine
Welt, die die unsere ist.«
»Wenn Erziehung
als etwas verstanden wird, das es uns
ermöglicht die Beziehung zwischen Aktion und
Konsequenz zu verstehen, dann ist Bresson ein
großartiger Lehrer.«
»Das letzte Mal,
dass ich ihm Kino wirklich bewegt war, war als
ich Bressons L'ARGENT sah.«
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Quelle:
Die Texte sind großteils entnommen aus: Robert Bresson. Edited by James Quandt. Indiana University Press, 1999. Textzusammenstellung und Übersetzungen:
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