Selbstverständnis der Kommunikativen Theologie
Kommunikative Theologie versteht sich als spezifische Kultur des Theologietreibens, die interdisziplinär, interkulturell und interreligiös ausgerichtet ist. Ein wesentliches Merkmal ihres Selbstverständnisses ist das theologische Kommunikationskonzept:
Das Wort "Kommunikation" wird in der heutigen globalisierten Welt vieldeutig und inflationär verwendet. In einer von (Turbo-)Kapitalismus und Neoliberalismus gesteuerten Kultur der Postmoderne ist Kommunikation mit ihren hochstilisierten und technisierten Mitteln zur allgegenwärtigen und ständig verfügbaren Ware geworden. Das zieht einen tiefgreifenden Bedeutungswandel nach sich: Es entstehen spezifische Rationalitäten und Normativitäten, neue Rollen und Beziehungen konstituieren sich. Trotz vielfacher gegenläufiger Bemühungen etablieren sich effizienzorientierte und technologiebestimmte Verständnisse von Kommunikation, die bis in die Anthropologien und Beziehungsbilder reichen und diese bestimmen. Eine ständig wachsende Angebotspalette von Kommunikationsmodellen, -methoden und -techniken trägt einerseits zwar zur Verbesserung von Kommunikation bei, erhöht andererseits aber das Erfolgsdenken und verspricht schnelle Rettung und (Er)lösung aus Beziehungskrisen und Kommunikationsdilemmata.
Kommunikative Theologie ist sich der reduktionistischen Aporien dieser Situation bewusst und weitet den Blick auf eine theologische Gesamtsicht hin. In einem theologischen Verständnis ist Kommunikation zuerst Gabe, in der sich Gott - als Inbegriff der Kommunikation - selber gibt und sich so zum kommunikativen "Lebensmittel" für die Menschen macht. Dieser Gott offenbart sich, aus jüdisch, christlich und muslimischer Perspektive unterschiedlich, in Schöpfung und Geschichte; für Christen in besonderer Weise in seinem Sohn Jesus Christus. In ihm hat sich – nach christlicher Überzeugung – die berührende und heilende Kommunikation Gottes mit den Menschen verdichtet: angefangen von der Verkündigung der anbrechenden Gottesherrschaft, durch die Krise des Kreuzestodes hindurch zu seiner Auferweckung durch Gott bis hin zur neuen Sammlung im Heiligen Geist, der die lebensförderliche Kommunikation unter und zwischen den Menschen wirkt, antreibt und vollendet.
Durch dieses Geschehen, das zuerst Gabe und nicht Leistung ist, eröffnen sich heilsame Perspektiven für die menschliche Kommunikation: Diese ist - trotz aller Ambivalenzen und aller Missbrauchsgefahr - der Machbarkeit und letzten Verfügungsgewalt der Menschen entzogen. Damit ist Kommunikation nicht mehr ausschließlich funktional bestimmt. Sie ist auch nicht Selbstzweck, sondern – unverfügt – auf die Stiftung von Gemeinschaft durch den lebensfreundlichen Gott ausgerichtet. Nach christlichem Verständnis zeigt sich die Geistbegabung jedes Menschen als Gabe und Aufgabe in "geschenkter Kommunikation", welche die bleibende Fremdheit und Fragmentarität unter den Menschen und in der Welt als Potential erkennt und nicht durch methodisierte Kommunikationsbemühungen aufzuheben oder vorschnell zu überbrücken sucht.
Ein solches Kommunikationsverständnis hat Auswirkungen auf die alltägliche Kommunikationspraxis: Die traditionelle Spaltung zwischen Kommunikationsgehalt und Kommunikationsform wird problematisch, Wahrheit ist nicht zu trennen von Wahrhaftigkeit, Orthodoxie nicht von Orthopraxie, Reflexivität nicht von Glaubensvollzug (Details).
Daraus ergeben sich
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eine besondere Sensibilität Kommunikativer Theologie für die Korrespondenz von Inhalt und Form in den verschiedenen Handlungsfeldern (Kirche, Schule, interreligiöser Dialog, akademische Praxis in Lehre und Forschung usw.);
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die mehrperspektivische Aufmerksamkeit in den kommunikativ-theologischen Dimensionen "Persönliche Lebens- und Glaubenserfahrung", "Gemeinschaftserfahrung", "Kontext-/Welterfahrung", "biblische Zeugnisse in deren lebendiger Vermittlung und andere religiöse Traditionen" (Details);
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das Eintreten Kommunikativer Theologie für vorrangige Optionen, die das Handeln in Wissenschaft, Gesellschaft und Kirche leiten (Details);
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die Durchlässigkeit zwischen wissenschaftlicher Reflexion, Erfahrungs- und Beteiligungsebene;
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Gebet und Feier als integrative Bestandteile kommunikativ-theologischen Handelns.
Auf der Ebene der wissenschaftlich-theologischen Auseinandersetzung bringt die Kommunikative Theologie die - in (post-)säkularen Kontexten - prekäre Gottesfrage aus dem Blickwinkel verschiedener Fachperspektiven in den disziplinären und interdisziplinären Diskurs ein. Dabei geht es um ein Theologieverständnis, das die Welt (belebte und unbelebte) und die Selbst- und Interaktionserfahrungen der Menschen als theologische Erkenntnisorte begreift, an denen sich die Gottesfrage entscheidet. Solche Erkenntnis ist ohne methodisch geleitete und kritisch reflektierte Analyse nicht möglich. In diesem Sinne versteht sich Kommunikative Theologie von ihrem Grundansatz her als erfahrungsbezogene Theologie: empiriesensibel in Richtung Theologie und theologiesensibel in Richtung Empirie. Wertschätzend, aber kritisch, tritt sie in einen Dialog mit anderen Wissenschaften und ihren Erkenntnissen, Perspektiven, Optionen, Methodologien und Methoden.
Kommunikative Theologie als Theologie im Prozess rezipiert kritisch den Ansatz der Themenzentrierten Interaktion nach R.C. Cohn (TZI) auf seine anthropologisch-theologischen Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten hin und bringt verwandte Ansätze damit in Kontakt. In diesem Zusammenhang wird sowohl die TZI weiter erforscht als auch eine theologische Lehr-/Lernforschung als Beitrag zur Qualitätsentwicklung und Sicherung von Hochschullehre und von Bildungsprozessen in Gemeinde, Schule und Erwachsenenbildung betrieben.
Weiterführende Informationen zum Selbstverständnis Kommunikativer Theologie und dessen Entwicklung finden Sie auf der Seite über die Grundlagentexte zum Selbstverständnis.