PANEL 16
Ansätze der Internationalen Geschichte: Vereine und internationale Organisationen im Fokus
Chair: Oliver Rathkolb (Wien)
Donnerstag, 16. April 2020, 16:00–17:30, U 1
In den letzten Jahren erfuhren Ansätze der Internationalen Geschichte eine stetige Aufwertung. Ein wesentlicher Aspekt ist hier die Einbeziehung nicht-staatlicher Akteure, wie NGOs oder Internationale Organisationen. In der Migrationsgeschichte ist das Aufbrechen der oftmals angenommenen Dichotomie zwischen Staat und Flüchtling und die Erweiterung um Netzwerke, die auf überstaatlicher Ebene für Flüchtlinge agieren von Bedeutung. Die modernen Cold War Studies zielen auf eine Betrachtung jenseits der bipolaren Weltordnung, USA-Sowjetunion, ab. Die hier vorgestellten Projekte wollen durch eine Fokussierung auf Vereine und Internationale Organisationen die traditionellen Forschungsbereiche der Kalten Kriegs- und Migrationsforschung aufbrechen. Im Fokus stehen Studien zur Selbstorganisation volksdeutscher Flüchtlinge, die internationalen Reaktionen auf den Umgang mit Dissidenten in der Sowjetunion und die Rolle des UNHCR bei der Fluchtbewegung aus Rumänien am Ende des Kalten Kriegs.
Die größere Familie. Volksdeutsche Selbstorganisation und Vereinswesen in Österreich
Pauli Aro (Florenz)
Entgegen der gesellschaftlichen Ablehnung, die volksdeutschen Flüchtlingen nach 1945 in Österreich entgegenschlug, betonten deren AktivistInnen gerne die gemeinsame Ethnizität, die alle Deutschen aus den Gebieten der ehemaligen Habsburgermonarchie miteinander verbinde. Sie charakterisierten die Flucht der somit als „Altösterreicher“ aufgefassten Menschen nach Österreich gerne als Heimkehr, „heim zur Mutter Austria, […] der gemeinsamen größeren Familie, der sie bis 1918 angehört hatten.“ Im vorgestellten Beitrag steht die Selbstorganisation volksdeutscher AkteurInnen in Österreich und deren Vereine, welche die Grundlage der späteren Landsmannschaften bildeten, im Fokus. Anhand von Personen, wie dem streitsamen südmährischen Aktivisten Hans Wagner, werden organisatorische Kontinuitäten von österreichisch-volksdeutschen Netzwerken in die Zwischenkriegszeit, die nicht reibungslose Beziehung der Verbände mit österreichischen Institutionen und ihre internen Konflikte beleuchtet.
Ärzte im Zwielicht: internationale Organisationen im Konflikt mit der sowjetischen Psychiatrie im Kalten Krieg
Anastassiya Schacht (Wien)
In den frühen 1970er-Jahren wurde die sowjetische Psychiatrie mit dem schwerwiegenden Vorwurf konfrontiert, für die systematische und politisch-motivierte Zwangseinweisung von DissidentInnen verantwortlich zu sein. Der daraus entstandene, über die Grenzen der Sowjetunion herausreichende Konflikt, spaltete die internationalen Expertenorganisationen, World Health Organization (WHO) und World Psychiatric Association (WPA), da man sich sowohl zu ethischen Richtlinien als auch explizierter Neutralität im Kalten Krieg verpflichtet sah. Während es der WHO gelang, eine neutrale Ausrichtung zu bewahren, kam es bei der WPA zu Abspaltungen und offen ausgetragenen Kontroversen. Die sowjetischen Akteure versuchten, ihre fachliche Glaubwürdigkeit auf internationaler Bühne zu verteidigen. Der Beitrag beleuchtet die Rolle, den Spielraum und die Handlungsstrategien der großen internationalen Expertenorganisationen WPA und WHO beim Missbrauch der Psychiatrie in der Sowjetunion im Umgang mit DissidentInnen.
Zwischen Grenzöffnungseuphorie und Migrationsfurcht: rumänische Flüchtlinge in den 1980er-Jahren und die Rolle des UNHCR
Sarah Knoll (Wien)