PANEL 22
Über die Zukunft und Vermittlung von Erinnerung an den Holocaust im europäischen Kontext
Chair (inkl. Kurzkommentar): Monika Sommer (Wien)
Freitag, 17. April 2020, 10:50–12:20, HS 3
Das Panel bringt drei Vorträge zusammen, die das Thema Holocausterinnerung in verschiedenen nationalen und disziplinären Kontexten diskutieren. Ungarn, Österreich und Deutschland sind drei sehr unterschiedliche, aber eng miteinander verbundene Beispiele. Die Vorträge diskutieren die Rolle von Populismus, Migration und den daraus entstehenden neuen politischen Befindlichkeiten in Europa in Bezug auf die Erinnerung an den Holocaust. Zugleich stellen sie die Frage, welche alternativen Plattformen und interdisziplinären Zugänge für die zukünftige Auseinandersetzung mit dem Thema an Bedeutung gewinnen.
Three Anniversaries in one Illiberal State: Commemorating the Holocaust, 1956 and the Gulag in Hungary
Andrea Pető (Budapest)
In 2010, in 2014 and in 2018, Fidesz – in coalition with the Christian Democratic Party – won the Hungarian elections. During the past nine years Fidesz has been under international pressure to comply with written and unwritten laws, but the party continues to be very popular inside Hungary. And despite taking over all possible policy agencies, state institutions, and funding opportunities – Fidesz has not encountered or invited the formation of any effective political opposition. Memory politics played a key role in this process. Based on its modus operandi, we call this regime an “illiberal polypore state” (Weronika Grzebalska) due to the fact that it feeds on the vital resources of the previous political system, at the same time contributing to its decay. The polypore state works with what is referred to as “mnemonic security”, as well as the control of hegemonic forms of remembrance. This talk analyses three memorial years arguing that illiberal polypore regimes do not have an ideology but memory politics which duplicates, depoliticizes and empties previous narratives to appropriate its meanings.
Routine, Ritual und Vereinnahmung. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik im österreichischen Erinnerungs- und Gedenkjahr 2018
Dirk Rupnow (Innsbruck)
Zumindest ein Teil der derzeitigen rechtspopulistischen Diskurse ist durch eine irritierende Vereinnahmung des mittlerweile global etablierten Holocaust-Gedenkens gekennzeichnet – während weiterhin antisemitische und rassistische Aussagen zu ihrem Kernrepertoire gehören. Besonders signifikant ist freilich die derzeit beobachtbare Verschränkung des Holocaust-Gedenkens mit antimuslimischen Positionen. Am Beispiel des österreichischen Erinnerungs- und Gedenkjahres 2018 werden die Diskurse und Strategien rechtsextremer Parteien in Regierungsverantwortung analysiert, in einen internationalen Kontext gestellt, aber auch Gegendiskurse beleuchtet.
Tell me about yesterday tomorrow. Alternative Plattformen für die zukünftige Erinnerung an den Nationalsozialismus
Mirjam Zadoff (München)
Die Notwendigkeit eines Neudenkens von Erinnerung stellt heute, in einer sich rapide verändernden politischen Kultur, eine der großen Herausforderungen dar. Einrichtungen, deren Aufgabe es ist, das kulturelle Gedächtnis einer Gesellschaft zu bewahren – sowohl in Form von Kunst als auch von Erinnerung, Geschichtsvermittlung und Wissenschaft – sehen sich in einem wachsenden politischen Spannungsfeld, denn die Polarisierung der Gesellschaft macht nicht vor ihren Türen halt, sondern wird im Gegenteil vielerorts schon in und um Museen ausgetragen. Am Beispiel der aktuellen Ausstellung des NS-Dokumentationszentrums München diskutiert der Vortrag alternative Wege und Formen des Erinnerns an den Nationalsozialismus.