PANEL 34
Rechtsterrorismus in der Zwischenkriegszeit

Chair (inkl. Kurzkommentar): Dieter Pohl (Klagenfurt)

Samstag, 18. April 2020, 09:00–10:30, HS 3

Terroranschläge ultranationalistischer Einzelpersonen und Gruppen in den letzten Jahren haben das Thema Rechtsterrorismus wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Hochkonjunktur dieser Gewalt fiel in die Zwischenkriegszeit, mit Anschlägen von separatistischen Gruppen und mit der Gewalt faschistischer Akteure. Im Panel sollen die spezifischen Strukturen und Kontexte des Rechtsterrorismus im Europa der Zwischenkriegszeit näher analysiert werden, mit der Analyse von transnationalen Bezügen und zwei Fallstudien, zum österreichischen und zum ukrainischen Rechtsterrorismus. Dabei steht zunächst die Frage nach der Abgrenzung zu anderen Typen der Gewalt im Mittelpunkt. Dann soll ein Blick auf Strukturen und Aktionsformen des Rechtsterrorismus geworfen werden, ebenso wie auf transnationale Netzwerke und Diskurse. Schließlich gilt es, auch einen Blick auf die gesellschaftlichen Kontexte zu werfen, so die gesellschaftlichen Reaktionen, aber auch das Agieren von Staatsführungen und Polizei.

Der Terrorismus der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) in den 1930er-Jahren

Alexandra Pulvermacher (Klagenfurt)

Die OUN wurde 1929 als Sammelbecken ukrainischer nationalistischer Organisationen in Wien gegründet. Ähnlich wie die Innere Makedonische Revolutionäre Organisation (IMRO) und die kroatische Ustaša kämpfte die OUN mittels Terrors für die Unabhängigkeit. Neben Brandstiftung, Überfällen und Sabotageakten führten OUN-Mitglieder auch einzelne Mordanschläge auf polnische Politiker und „gemäßigte“ Ukrainer durch.

Der Vortrag beschäftigt sich mit der Frage, wer für den OUN-Terror verantwortlich war, wie dieser im ukrainischen politischen Spektrum wahrgenommen wurde und inwieweit er in einer Wechselbeziehung zur polnischen Minderheitenpolitik stand, ob er tatsächlich ideologisch oder vielmehr praxeologisch bestimmt war. Weiters gilt es zu erörtern, inwieweit sich eine direkte Linie vom Terror der Zwischenkriegszeit zur Beteiligung an der Gewalt unter deutscher Besatzung ab 1941 ziehen lässt.

Rechtsterrorismus im frühen Faschismus in Italien 1919–1921

Tobias Hof (München)

Der Vortrag fokussiert das Milieu und den Aufstieg rechter paramilitärischer Gruppen im italienischen Königreich nach dem Ersten Weltkrieg. Rechte Paramilitärs, insbesondere Benito Mussolinis „squadristi“, überzogen Italien in den Jahren 1919–1922 mit Terroranschlägen und offener Straßengewalt. Insbesondere fünf Bereiche stehen im Mittelpunkt des Vortrags, um Fragen nach Motiven, Mechanismen und Konsequenzen in den Blick zu nehmen: 1.) Ideologie und Weltbilder der italienischen Rechten, 2.) Struktur, Kultur und Handlungsparadigma paramilitärischer Einheiten, 3.) Paramilitärs und Klasseninteressen, 4.) Gewalt als sinn- und identitätsstiftendes Ritual und 5.) transnationale Verbindungen.

Neben den Ergebnissen der Faschismusforschung wird der Vortrag vermehrt Perspektiven der Terrorismusforschung einbeziehen, die verstärkt Fragen der Zugehörigkeit, gesellschaftlichen Marginalisierung und Männlichkeit in den Fokus rücken, und versuchen, eine Klassifizierung rechter Gewalt in Italien in der unmittelbaren Nachkriegszeit vorzunehmen.

Wie kann man eine transnationale Geschichte des Rechtsterrorismus im Europa der Zwischenkriegszeit schreiben?

Johannes Dafinger (Klagenfurt)

Rechtsterroristen agierten im Europa der Zwischenkriegszeit in politischen Kontexten, die sich von Land zu Land deutlich voneinander unterschieden. Dies spricht dafür, bei einer Analyse des Rechtsterrorismus der Zwischenkriegszeit jeden dieser (nationalen) Kontexte für sich zu betrachten. Gleichzeitig war der Rechtsterrorismus in der Zwischenkriegszeit aber ein transnationales Phänomen, da Rechtsterroristen transnational agierten und ihre Taten ein transnationales „Publikum“ fanden. Auch diesem Umstand muss die historische Forschung Rechnung tragen.

Der Vortrag stellt Überlegungen an, auf welche Weise es gelingen kann, eine transnationale Geschichte des Rechtsterrorismus im Europa der Zwischenkriegszeit zu schreiben, ohne die unterschiedlichen politischen Kontexte und die spezifischen Ausprägungen rechter Gewalt in verschiedenen Ländern aus den Augen zu verlieren.

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